061 - Medusas steinerne Mörder
worden! Nun begriff X-GIRL-C die Eile des
Überfalls. Medusa brauchte Nachschub. Die Frau mit dem verhüllten
Schlangenhaupt warf sich herum und eilte zur Bahre zurück. »Fessle sie!« rief
sie dem steinernen Wächter zu, der Morna Ulbrandson mit stählerner Gewalt
festhielt. »Leg sie in eine Ecke. Ich werde mich später um sie kümmern.
Dracula, walte deines Amtes! Und wenn dir was mißlingt, ist es nicht weiter
schlimm. Die Götter meinen es gut mit uns. Die nächste Körperspenderin steht
zur Verfügung…« Während sie auf die Bahre rutschte, warf sie Morna Ulbrandson
einen teuflischen, triumphierenden Blick zu. Die Schwedin wurde von dem
Steinernen durch das Tempel-Gewölbe geschoben und in der Ecke kunstgerecht
verknotet. Die Agentin setzte sich mit aller Kraft und Tricks verzweifelt zur
Wehr, konnte sich aber dem Zugriff des steinernen Gegners nicht entziehen.
Hilfe von außen konnte sie nicht erwarten. Iwan Kunaritschew hielt sich um
diese Stunde möglicherweise schon in Praid auf. Er konnte nicht ahnen, was hier
los war.
Außerdem
war er zu weit entfernt, um einzugreifen. Von Luise Gräfin von Bernicz durfte
X- GIRL-C keine Unterstützung erwarten. Die bedauernswerte Frau wußte nicht
mehr, was sie tat. Sie war selbst den unglaublichen Ereignissen hier zum Opfer
gefallen. Stundenweise war sie quasi eine Besessene. Der Geist eines bösartigen
Lebewesens, Draculas Vampir-Geist, ergriff dann Besitz von ihr und saugte ihre
Kräfte aus. Sie war geistig umnachtet… Morna wurde in die Ecke neben der
aufgebrochenen Wand gestoßen. Die Hände waren ihr auf den Rücken gebunden, die
Beine wurden mit Gewalt angewinkelt und dann verschnürt. So saß sie, eng
verpackt, in der schattigen Ecke den Operationstisch vor sich, auf dem sich
Ungeheuerliches ereignete.
Aus
der Wandnische löste sich ein Schatten. Ein dünner, schwarzer Streifen schwebte
wie ein Finger über Medusas entblößten Hals, die sich weit zurückgelehnt hatte.
In gespenstischer Lautlosigkeit spielten sich die Dinge ab. Der Schatten glitt
über den Halsansatz hinweg, und es schien, als würde ein unsichtbares Messer
angesetzt. Die Narbe um ihren Hals begann zu bluten, und das Schlangenhaupt
wurde von dem zerfallenden Körper getrennt. Medusas Kopf lebte weiter. Ihre
Augen bewegten sich, und unter dem turbanähnlich geschlungenen Kopftuch sah Morna
es rascheln und kringeln… Im Halbdunkeln des Tempel-Gewölbes näherte sich der
Versteinerte, der Morna Ulbrandson gefesselt hatte, der Bahre und trug auf
Medusas lautlosen, hypnotischen Befehl den Körper davon, von dem die
Schlangenhäuptige sich getrennt hatte. Morna hatte das Gefühl, in einem
Geister-Labor zu sein. Der Schatten schwebte über der ahnungslosen
Ohnmächtigen, die auf den Armen des versteinerten Grafen von Bernicz ruhte. Der
dunkle Geisterfinger, der wie ein Skalpell wirkte, näherte sich jetzt dem Hals
der jungen Frau aus Skotje. Der dunkle Schatten streifte die Baumwollbluse, und
der Stoff über der Schulter platzte wie unter einer rasiermesserscharfen
Klinge. Auch die Haut sprang auf. Ein hauchdünner, blutender Streifen entstand.
Dann glitt der Schatten dem weißen Hals der jungen Frau entgegen. Der
Geisterfinger des Dracula-Bruders, der zu seinen Lebzeiten mit dem Leibhaftigen
Umgang pflegte, war das Skalpell, mit dem er aus dem Reich des Unsichtbaren
handelte. Der Schatten berührte den Kehlkopf.
»Neeeiiinnn!« Morna Ulbrandsons gellender Schrei hallte durch das Gewölbe, brach
sich in den Gängen und Nischen und kehrte als geisterhaftes Echo mehrfach
verstärkt zurück. Der dunkle Schatten verharrte. Medusa kicherte und wandte
ihren körperlosen Kopf in Richtung der Schwedin. »Nun gut, tu ihr den Gefallen,
Dracula… Wenn sie den Anblick nicht ertragen kann, nimm sie! «
Der
Schatten drehte sich ab, und der lange, dünne Finger zuckte auf Morna
Ulbrandsons Kehle zu…
●
Sie
riß und zerrte mit aller Kraft an ihren Fesseln. Doch um keinen Millimeter
konnte sie sie lockern. Sie war verloren! Auf Mornas Stirn perlte der
Schweiß. Der Gedanke, daß ihr Körper ausgerechnet dem Haupt der schrecklichen
Medusa dienen sollte, war ihr unerträglich. So hatte sie sich ihr Ende nicht
vorgestellt.
Der
Schattenfinger senkte sich herab. Morna Ulbrandson fühlte den Druck auf der
Kehle. »Aus« , grellte es durch ihr Hirn. Durch das Rauschen des Blutes
in den Ohren vernahm sie aus weiter Ferne Geräusche. Rumoren… Stimmen… eilige Schritte…
Was war das? Der Druck auf ihre
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