0611 - Brennpunkt Medo-Center
andere traktierten eine andere Gruppe von Hobbyisten, deren Hobby das Essen war, bis diese sich nicht mehr bewegen konnten.
Radiobastler zerlegten die Automatiken des Schiffes, wo immer sie welche fanden. Aus den Bauteilen entstanden seltsame Dinge: Bildschirme, die sich in sprechende Farborgeln verwandelten oder durchsichtig wurden und ihre technischen Eingeweide ungeniert zeigten.
Eine verhältnismäßig störungsunanfällige Gruppe waren die etwa einhundert Leseratten.
Sie hatten die Speicher der Schiffsanlage abgerufen, saßen still da und lasen die Werke der Weltliteratur, angefangen von Übersetzungen sumerischer Tontafeln bis hin zu den Goldenen Büchern Arkons. Sie lasen alles, was jemals gedruckt oder geschrieben worden war und sich im Schiffsspeicher befand.
Wieder andere bauten Gartenmöbel.
Als jemand vorschlug, die Schiffszelle außen mit psychedelischen Farben und Ornamenten zu bemalen, meldeten sich fünfzig Freiwillige. Sie stürmten die Kammern, suchten Lacke und Werkzeug, halfen sich gegenseitig in die Kampfanzüge und blockierten die Gänge und Korridore, als sie sich voller Tatendrang in die Richtung der Polschleuse aufmachten.
Dort empfing sie ein Kommando von Robots, die Afshar, der Erste Offizier, in rasender Eile programmiert hatte. Die Maschinen paralysierten die Menschen und schleppten sie zurück in die Lazarettbezirke des Explorers. Der Boden der Schleuse sah unbeschreiblich aus, ein zweidimensionales Chaos aus Farbe, ausfließenden Farbbehältern, detonierten Spraydosen und den langen Schläuchen der Spritzgeräte.
Männer begannen, aus den Vorräten der Garne, Seile und selbst aus Tonbändern Pullover und Decken zu stricken und zu häkeln. Fechtgruppen gründeten sich schnell und trainierten mit allen möglichen Gegenständen, die Degen oder Säbeln ähnlich sahen, in den Korridoren und auf abgeschalteten Transportbändern.
Afshar, der offensichtlich noch nicht angesteckt war, streifte mit knapp hundert Männern und Frauen, die ebenfalls keine Symptome zeigten, durch das Schiff, versorgte die Verletzten, behob Kurzschlüsse, schlichtete Streitigkeiten, feuerte aus seinem Paralysator auf besonders aktive Leute und hatte es binnen einer Stunde geschafft, das Schiffslazarett zu überfüllen.
Aber von den Paralysierten würde keiner mehr, wenigstens nicht innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden, Unfug treiben oder Schaden anrichten können.
Eine Gruppe waren die „Faulen", die „Lethargischen"...
Die zweite Gruppe, die „Hobbyisten" beschäftigte die kleinen, überforderten Kommandos nicht weniger als die dritte Gruppe der Infizierten.
Wie nicht anders zu erwarten, waren dies die „Hektiker".
Schließlich hatte Turan Minho ihnen genau geschildert, in welchen Formen PAD auftrat.
Die Hektiker verwüsteten, was die entfesselten und starrköpfigen Hobbyisten noch nicht zerstört oder umfunktioniert hatten.
Mainac Tovrath gehörte zu den Hobbyisten.
Sein Hobby war der Alkohol. Endlich gelang es ihm, die Notruftaste zu drücken, indem er sich zwang, etwas Sinnvolles zu tun.
Mainac stand auf, hielt sich an der Lehne des Sessels fest und ignorierte den Bildschirm völlig.
Die Funkabteilung war nur mit zwei Männern besetzt, und sämtliche Verbindungen und Schaltungen liefen über die Bordpositronik. Der Notruf entfesselte einen Wirrwarr, der Mainac völlig kalt ließ. Er verließ langsam die Zentrale und versuchte mühsam, die Gewalt über seine Gedanken und seine planvollen Aktionen wiederzugewinnen.
„Ich schaffe es nicht!" keuchte er.
„Verdammt! Ich brauche Alkohol!" stöhnte er auf. Er fühlte sich wie ein Tier, als er sich halb herumdrehte und schwankend weiterging, in die Richtung der medizinischen Station seines Schiffes.
Es gab sonst nirgends mehr Alkohol, auf der langen Fahrt war auch der letzte Schluck genießbarer Alkoholika aufgebraucht worden.
Weiter... langsam... vorbei an den Bildern des Schreckens.
Vorbei an Gruppen von Leuten, die sich nicht stören ließen, als der Kommandant sich zwischen ihnen hindurchdrängte.
Sie bemalten die Wände des Schiffe, allerdings innen, mit fahrigen Mustern, unvollkommenen Kreisformen und phantastischen Linien.
„Zur Seite!" herrschte Mainac zwei Mädchen an, die sich mit Farben gegenseitig die Gesichter anmalten.
In den Gängen und Korridoren dröhnte es.
Die Schotten standen offen. Aus jedem Raum, in dem Besatzungsmitglieder lebten, kam Musik in höchster Lautstärke.
Jeder der Hobbyisten schien ein eigenes
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