0612 - Eine Nacht im Hexenschloß
verändert hatte.
Für ihn gab es nur die Chance, zu warten. Orania, die geheimnisvolle Person, hatte die Kontrolle übernommen. Sie wollte und würde ihn leiten. Sie zeigte ihm, wo es herging, und er war nicht mehr als ein kleines Kind.
Archer ging wieder zurück. Er fror auf einmal und wollte die Wärme des Feuers ungedingt spüren. Das Holz schaute er sich genauer an und stellte fest, daß nicht einmal die Hälfte verkohlt war. Sehr lange konnte das Feuer also noch nicht brennen.
Kleine Funken sprühten und verschwanden durch den Windzug im nach oben führenden Schacht. Die hatten es besser, sie konnten flüchten, während er zurückbleiben mußte.
Wann kam sie?
Wieder schaute er auf die Uhr. Noch zwei Minuten bis Mitternacht. Ohne es genau gesagt bekommen zu haben, wußte Archer Bescheid. Um Mitternacht würde sich die Tür öffnen, dann kam sie, und er fragte sich, ob sie wieder nackt sein würde.
Konnte er einer Frau wie ihr widerstehen?
Schlecht, sehr schlecht, wenn er ehrlich war. Wenn sie es richtig anstellte, würde er Wachs in ihren Händen sein. Sie besaß einen Körper, wie er ihn bisher nur von Bilder her gekannt hatte. Sie war einfach phantastisch und kam ihm vor wie ein lebendiges Gemälde.
Die Schritte außerhalb des Zimmers hatte er nicht gehört, doch er bekam mit, wie ein Schlüssel gedreht wurde. Archer wunderte sich über sich selbst, weil er sich nur langsam umdrehte und mitbekam, wie die Tür allmählich nach innen schwang.
Orania hatte sie aufgestoßen. Sie stand da, und Archer glaubte, den Wind zu spüren, den sie mitbrachte.
Er wehte in den Raum, traf auch ihn im Gesicht, so daß er die Augen für einen Moment schloß und sich einzig und allein dieser Aura hingab. Dabei waren seine Lippen zu einem Lächeln verzögen, denn ihn durchströmte gleichzeitig das gute Gefühl.
»Da bist du ja…«
Nur diese vier Worte sprach sie zur Begrüßung, als wäre sie überrascht, ihn zu sehen.
Archer nickte nur. Wieder konnte er seine Blicke nicht von der Gestalt lösen. Orania war einfach schön, auch wenn sie sich ihm diesmal nicht nackt zeigte.
Sie trug ein Gewand, das bis zu den Knöcheln reichte. Es besaß zwei Farben, die eigentlich nicht miteinander harmonierten, ging man vom ersten Eindruck aus.
Der Grundton war schwarz, so tief wie Kohle. Dazwischen aber schimmerten gleiche, rosafarbene Muster, die auf ihn wirkten wie auslaufende Flammenspeere.
Sie glitten von oben nach unten und auch in die umgekehrte Richtung und machten das Gewand durchsichtig.
Sie hatte etwas mitgebracht. Ihren Totenschädel und den Dolch.
Der Knochenkopf stand auf der linken Handfläche, mit den Fingern der rechten umklammerte sie den Dolchgriff. Die naturroten Lippen der Frau verzogen sich zu einem Lächeln, als sie tiefer in das Zimmer hineintrat und genau auf ihn zukam.
Die Tür fiel von selbst zu, als hätte sie einen Befehl bekommen.
»Ich freue mich, Ron, daß du auf mich gewartet hast.«
Es blieb mir nichts anderes übrig, hatte er sagen wollen, aber die Antwort blieb ihm im Hals stecken. Er war nur auf sie fixiert und auf die Gegenstände in ihren Händen. Vor der Frau bekam er keine Angst, die Mitbringsel gefielen ihm nicht.
Dieser komische Dolch aus Knochen sah ihm schon gefährlich aus, und nun zeigte er noch mit der Spitze auf ihn. Dabei verzogen sich die Lippen noch mehr, und das Lächeln gefror auf dem Mund.
Beide Gegenstände legte sie auf einen runden Tisch ab, der nicht weit vom Bett entfernt stand.
»Mitternacht!«
Sie sagte nur dieses eine Wort. Wie sie es allerdings aussprach, kam es ihm vor wie ein Urteil, das sie soeben gefällt hatte.
»Ja, das stimmt.«
Orania breitete die Arme aus. All ihre Bewegungen waren fließend, als würde sie von Wasser umgeben. »Weißt du, was es bedeutet, wenn ich Mitternacht sage?«
»Nein, nicht.«
»Dann werde ich die Person, die ich mir ausgesucht habe, lieben, mein Freund.«
Archer mußte schlucken. Er zwinkerte mit den Augen, holte scharf Luft und fragte: »Mich?«
»Ja.«
Der Historiker schwitzte. »Ich… ich mag es nicht einmal zu schätzen wissen, Orania, doch ich bin hergekommen, um Studien zu treiben. Ich habe einen wissenschaftlichen Auftrag erhalten. Ich möchte mehr über dieses Schloß herausfinden. Ich muß sortieren, weil jemand das Schloß kaufen möchte, wenn du verstehst.«
»Was gibt es da zu verstehen, mein Lieber? Er kann es kaufen, aber er soll es nicht kaufen.«
»Und weshalb nicht?«
»Weil das Schloß mir
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