0612 - Eine Nacht im Hexenschloß
Petticoat.
»Unsere Nacht kann beginnen«, flüsterte sie mir zu.
»Damit?« fragte ich und deutete auf die beiden ungewöhnlichen Gegenstände, die sie mitgebracht hatte.
»Ja…«
»Die mag ich nicht.«
»Aber ich brauche sie.«
»Willst du mir keine Erklärung geben?«
Sie zögerte einen Moment und richtete den Blick ihrer dunklen Augen auf mich. Dann streckte sie die Hand aus und nahm den Dolch. Sie hielt ihn halbhoch und tastete ihn dabei mit ihren Blicken ab, als wollte sie ihn noch einmal genau erkunden.
»Er war sehr wichtig in meinem Leben«, erklärte sie. »Er hat einmal einem anderen gehört. Mein Mann brachte ihn von einer seiner Reisen mit. Das war noch vor unserer Hochzeit. Er hat ihn wahnsinnig geliebt und immer erklärt, daß in ihm eine besondere Kraft stecke.«
»Welche?«
Orania hob die Schultern. »Ich will dir sagen, daß er mich nicht belogen hat, denn ich habe es selbst ausprobieren können. Ich tötete meinen Mann mit diesem Dolch.«
So etwas Ähnliches hatte ich mir zwar gedacht, dennoch mußte ich leicht schlucken.
»Jetzt willst du noch wissen«, sagte sie, als sie den Dolch wieder weglegte, »was es mit dem Schädel auf sich hat.«
»Es wäre nicht schlecht.«
»Ich trinke daraus das Blut meiner Männer, meiner Opfer, denn dieser Schädel ist für mich noch immer etwas Besonderes. Durch ihn bin ich mit meiner ersten Tat verbunden, als es mir endlich gelang, das zu überwinden, was die Menschen Gewissen nennen. Es ist der Kopf meines Gatten, den ich ihm abschnitt, als ich bereits tot war. Für ihn gestorben, wohlgemerkt.«
Das war jetzt etwas schwer. »Moment, du bist tot gewesen?«
»Ja, mein Gatte brachte mich um.« Sie lächelte, als sie sich erinnerte. »Es war zu spät, ich stand längst mit anderen Kräften in Verbindung, was er wohl gewußt hatte, wobei er allerdings nicht ahnte, daß es für ihn längst zu spät war.«
Ich schüttelte mich. Das Geständnis hatte mich tief getroffen. Und diese Person wollte mit mir eine Nacht verbringen. Wahrscheinlich hatte sie mir das gleiche Schicksal zugedacht.
Sie schien meine Gedanken gelesen zu haben, denn sie lachte plötzlich. »Weißt du, schöner Mann, du brauchst keine Furcht davor zu haben, daß ich dir den Kopf abschneiden werde. Nein, ich werde mich bei dir anders verhalten.«
»Wie denn?«
»Willst du dich nicht überraschen lassen?«
»Vielleicht soll ich das gleiche Schicksal erleiden wie die Toten vor mir!«
Ihre Stirn umwölkte sich. Wahrscheinlich war ihr meine Ansprache unangenehm gewesen. »Wie kannst du in Minuten wie diesen hier an so etwas nur denken?«
»Du hast es mir leicht gemacht.«
Da lachte sie. Für mich völlig grundlos und unkontrolliert. »Ja«, rief sie schließlich, »ich habe es dir leicht gemacht. Ich habe es jedem leicht gemacht, den ich wollte, aber ich will dir trotzdem sagen, daß mich etwas stört.«
»Bitte.«
Orania bewegte sich und senkte dabei den Kopf, als suchte sie etwas Bestimmtes. Ich verfolgte ihren Gang durch das Zimmer, ohne die Frau begreifen zu können.
»Was hast du?«
Zwischen Fenster und Bett blieb die Hexe stehen. Als sie ihre Finger bewegte, sah ich zum erstenmal, daß sie überlang waren. Die Nägel hatte sie nicht gefärbt, sie wirkten wie lange, blanke Messerspitzen. »Ja, du hast recht. Mich stört etwas in diesem Zimmer.« Sie lächelte kurz. »Aber du bist es nicht.«
»Danke, wer dann?«
»Sie!«
Scharf hatte Orania das eine Wort hervorgestoßen, und ich tat mich schwer, es zu begreifen.
»Wer ist sie?«
»Die Frau!«
Jetzt wußte ich Bescheid. Damit konnte Orania nur Jane Collins gemeint haben. Sie blickte mir ins Gesicht, als wollte sie hinter meine Stirn schauen und die Gedanken lesen. Da wäre sie nur verunsichert worden, denn auch ich wußte mir keinen Rat, und deshalb hob ich auch die Schultern. »Es tut mir leid, helfen kann ich dir nicht, denn ich mache mir selbst Sorgen wegen meiner Partnerin.«
»Sie war hier im Raum.«
»Stimmt, ich sah sie.«
»Wo ist sie jetzt?«
Ich hob locker die Schultern. »Es wird ihr zu langweilig geworden sein. So hat sie das Zimmer verlassen.«
Scharf lachte mir die Hexe entgegen. »Versuche du einmal, den Raum zu verlassen. Es geht nicht, er ist auf magische Weise versiegelt. Man muß die Worte nennen, um Tür und Fenster öffnen zu können. Nein, sie kann unmöglich aus diesem Raum herausgekommen sein. Verlasse dich auf meine Worte, schöner Mann.«
»Ich heiße übrigens John Sinclair.«
»Ja, und
Weitere Kostenlose Bücher