0617 - Das Blut der Mumie
wir hatten eigentlich alles gegessen, nicht zu vergessen die Desserts, die mir am besten gemundet hatten. Es war zudem ruhig geblieben, auch unsere schwarzmagischen Gegner schienen Weihnachten gefeiert zu haben, was natürlich Unsinn ist. Aber diese verfressenen Tage waren eben nicht leicht zu verdauen.
Als ich über meine Stirn strich, schielte mich Suko von der Seite her an. »Nachwirkungen, wie?«
»Und ob.«
»Denk daran, in einigen Tagen steht der Jahreswechsel vor der Tür. Mal sehen, wie es dann…«
Ich ließ ihn nicht ausreden. »Irrtum, Partner, bei mir nicht.«
»Wir sprechen uns wieder.«
»Das können wir ruhig.«
Die letzten Wagen des Zugs rollten vorbei. Unser Blick klärte sich.
Jenseits der Schranke lagen die Gartenanlagen im trüben, winterlichen Graugrün. Da war nichts Schönes mehr zu sehen, nur besaßen einige Bäume seltsamerweise noch einen Teil ihrer Blätter. Die Folge des sehr heißen und langen Sommers.
Wir warteten darauf, daß sich die rotweißen Balken in die Höhe schwingen würde. Das geschah nicht, sie blieben unten, natürlich nicht grundlos, denn von rechts kam der Gegenzug.
»Auch das noch«, stöhnte Suko.
»Vielleicht werde ich eine Mütze voll Schlaf nehmen.«
Mein Freund schüttelte den Kopf. »Was ist los, Alter? Nicht mehr in Form?«
»Nichts ist so schwer zu ertragen wie eine Reihe von guten und faulen Tagen.«
»Das kann sich ändern.«
»Möglich.«
Der Inspektor grinste. »Ich würde es sogar hoffen. Mal sehen, was uns dieser Behal zu sagen hat. Spannend genug hat er es gemacht. Weshalb ist er nicht direkt zu uns gekommen?«
Ich strich über die Augen, dann über mein Gesicht. »Das kann ich dir sagen. Behal arbeitet für uns, was keiner aus der Szene wissen soll. Er hält die Augen offen.«
»Er ist Ägypter, nicht?«
»Richtig.« Ich schaute auf die verschwommene Schlange der Güterwagen. Über uns lag ein grauer Himmel. Es war kälter geworden.
In den frühen Morgenstunden hatte es Glatteis und einige Unfälle gegeben.
»Hatte er ein Spezialgebiet?«
»Die Terrorszene. Die Kollegen haben hin und wieder einige gute Tips von ihm bekommen.«
»Sonst noch was? Ich meine, hat sein Job etwas mit unserer Arbeit zu tun gehabt?«
»Bis jetzt noch nicht.«
Suko sah, daß ich keine Lust mehr hatte, große Reden zu schwingen und hielt den Mund.
Der Zug rumpelte vorbei. Ein letzter Wagen passierte uns. Er war mit Autos beladen.
Zwei Züge waren genug. Vor uns glitten die Balken langsam in die Höhe. Wir standen als einzige an der Schranke. Im Winter und zwischen den Tagen war in dieser Gartenanlage nahe des Bahnhofs Paddington nicht viel los. Ich persönlich hätte auch im Sommer auf ein Stück Land verzichtet, denn das Areal wurde von Bahngleisen eingerahmt. Von diesem Stück Erde ließen selbst die Spekulanten die Finger.
Die Reifen rumpelten über die Holzbohlen des Übergangs. Dahinter begann ein breiter Weg. Er führte in die Tiefe der Schrebergartenanlage, die wie ausgestorben dalag. Auf den kahlen Ästen mancher Bäume zeichneten sich die Umrisse der dort hockenden Krähen ab, als hätte jemand die Tiere dahingemalt. Spatzen flogen ebenfalls von Baum zu Baum oder ließen sich auf den Dächern der Lauben nieder, wobei einige von ihnen eine massive Bauweise zeigten.
Ich erinnerte mich an den Fall der Vampir-Katzen. Damals hatte uns der Weg ebenfalls in eine Schrebergartenanlage geführt und anschließend in die Londoner Kanalisation. [1]
Manche Gärten waren eingezäunt, andere wiederum lagen frei.
Behal hatte uns den Weg beschrieben. Der Schuppen – der Mann hatte ausdrücklich davon gesprochen – lag im hinteren Teil der Anlage, fast auf dem Brachland, an dessen Rand auch ein Gleiskörper entlangführte.
Ein Radler kam uns entgegen. Der Mann hatte einen breiten Korb auf dem Gepäckträger befestigt. Grüner Kohl schaute aus ihm hervor. Unter dem Schirm der Mütze hervor betrachtete er uns. Wahrscheinlich wunderte er sich über den Besuch der Fremden.
Wir fanden den Stall durch einen glücklichen Zufall. Es war Suko, der nach links schaute und mit dem Daumen gegen die Seitenscheibe deutete. »Ich schätze, da müssen wir rüber.«
Der Schuppen lag am Rand einer weichen Wiese, über die sich die Reifen wühlten.
»Er hätte uns eigentlich sehen und erwarten müssen«, meinte Suko. »Vielleicht steht er innen am Fenster.«
»Mal sehen.«
»Ist was?« fragte ich meinen Freund.
»Im Prinzip nicht, John. Ich habe nur ein komisches Gefühl.
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