0617 - Das Blut der Mumie
mußten das Kreuz erwischen, auch meine Hand, meinen Arm, doch das geschah nicht. Plötzlich war das Licht aus dem Allsehenden Auge so strahlend wie das der Sonne. Nur leuchtete es nicht hell oder golden, sondern in einer Mischung aus Grün und Blau.
Seine Strahlen konzentrierten sich auf die Mumie. Die Macht des Gottes Osiris, die in dem Allsehenden Auge steckte, sorgte dafür, daß das unheilige Leben des Mumienmonsters beendet wurde.
Sie ging zurück.
Die Nadeln hatten mich nicht einmal geritzt, aber sie schauten noch immer aus der gekrümmten Hand der Mumie hervor. Nur schmolzen sie allmählich zusammen. Sie, die das Wissen einer alten Zeit beinhaltet hatten, waren von der Kraft eines guten Geistes zur Vernichtung verdammt.
Das Metall tropfte als zähflüssiger Brei zu Boden, wo es aufzischte und Lachen bildete, die allmählich abkühlten. Noch stand die Mumie auf den Beinen, und ich riskierte einen Blick nach links, wo Suko und die Riesenkatze sein mußten.
Sie hielt meinen Freund noch immer fest, aber sie besaß keine Kraft mehr. Sie und die Mumie gehörten tatsächlich zusammen. Das Riesentier sackte ohne Vorwarnung zusammen. Suko konnte sich aus der Pfote herausrollen, so wurde er nicht von dem massigen Körper begraben.
Als der mächtige Körper sich zur Seite neigte und den Boden berührte, da war es mit der Katze vorbei. Von innen her glühte sie auf und zerfiel vor unseren Augen zu einem jahrtausendealten Staub, der schwarz wie Teer war.
Mein Freund kam langsam auf die Beine. Gemeinsam schauten wir uns das Ende der Mumie an.
Mit ihren bandagierten Händen schlug sie wild um sich. Hart trommelte sie gegen ihren Körper. Nägel hakten sich fest, sie rissen die Binden auf. Was darunter zum Vorschein kam, war eine graugrüne Masse, die mich an dicke, feuchte Schimmelschichten erinnerte.
Keiner von uns fing sie auf, als sie zu Boden fiel und ihr Schädel abknickte.
Wie ein Fußball rollte er durch den Staub, das eine Auge noch glühend, obwohl er ebenso verging wie zuvor der Körper.
Allmählich nur erlosch das rote Glühen. Dann war es mit ihr endgültig vorbei.
Zuletzt verdampfte das Blut. Als dicker, träger Qualm verteilte sich das Zeug.
»Das hätten wir geschafft«, sagte Suko. Er drehte sich um, weil er nach Ibrahim Sale schauen wollte.
Der Ägypter saß inmitten der Staubreste. Er wühlte sie mit den gespreizten Händen auf und murmelte Worte, die irre klangen. Er sprach von der uralten Zeit, von der Rückkehr der finsteren Götter und von der Herrschaft der Welt.
Ihn würde kein Richter mehr zur Verantwortung ziehen können, denn dieser Mann hatte den Verstand verloren.
In Handfesseln führten wir ihn ab, da wir auf Nummer Sicher gehen wollten.
Ann Tobey konnte niemand mehr helfen, dem Wächter auch nicht.
Aber eine große Gefahr hatten wir trotzdem bannen können.
»War das der Anfang?« fragte Suko draußen.
»Wovon?«
»Ein erster Hinweis auf die Verbindung zwischen Atlantis und Ägypten. Ich glaube, daß uns da noch einiges bevorstehen wird. Die Rätsel werden eben nicht weniger.«
»Stimmt«, erwiderte ich und rang mich zu einem knappen Lächeln durch. »In diesem Jahr allerdings nicht mehr, denn das geht morgen zu Ende.«
ENDE
[1] Siehe John Sinclair Nr. 584 »Vampir-Katzen«
[2] Siehe John Sinclair Taschenbuch Nr. 73 094 »Die Psychonauten«
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