0619 - Das Para-Mädchen
sich Scoten nannten, verneint das längst nicht, daß es davor ein Volk von, sagen wir, Ur-Scoten gab, das es meisterhaft verstand, all seine Spuren wieder zu verwischen. Und so alt wie das Geschlecht der Llewellyns ist auch unser Kampf gegen die Schwarze Magie.«
Zamorra, einst Bryonts Freund und von diesem gar in den Llewellyn-Clan adoptiert, war nun zum Hüter des jungen Rhett geworden. Auch wenn Llewellyn-Castle in den schottischen Highlands ebenso geschützt war wie Château Montagne, hielt es Zamorra für besser, den Jungen hier zu haben. Seither lebten Bryonts Frau und Rhetts Mutter Patricia mit Sohn und Butler William, hier.
Angesichts dieser Hintergründe fand Zamorra es bemerkenswert, was der kleine Rhett gesehen haben wollte - und auch seine eklatante Verhaltensänderung.
Natürlich fehlten Vergleichs werte. Wer war denn schon vor 260 Jahren dabeigewesen und konnte sich noch daran erinnern, wie sich Bryont als Kind verhalten hatte? Der Silbermond-Druide Gryf vielleicht. Aber auch das Gedächtnis des 8000jährigen mußte selektiv arbeiten und vieles verdrängen, wenn der Druide über all die Ereignisse seines langen Lebens nicht den Verstand verlieren wollte.
»Beobachte den Jungen weiter«, riet Zamorra. »Und ich beobachte Eva weiter.«
»Hoffentlich stellt sie nicht eine Gefahr für uns dar, die sich in einer für uns noch unbekannten Form manifestiert und für die das Schutzfeld um das Château kein Hindernis sein kann«, unkte Patricia.
»Du redest schon fast wie Fooly«, brummte Zamorra. »Der hat auch zur Vorsicht gemahnt.«
»Manchmal ist unser kleiner Tolpatsch weise«, verabschiedete sich die Schottin, um sich um den Verbleib ihres Sprößlings zu kümmern.
***
Etwa zwei Kilometer entfernt, im Tal am Rand des kleinen Dorfes, blieb der Renault Twingo plötzlich stehen. Der Motor setzte einfach aus und ließ sich nicht wieder starten.
Madame Claire, Zamorras wohlbeleibte Köchin, die unten im Dorf wohnte und einmal pro Tag für ein paar Stunden zum Château hinauf fuhr, um dort für Haupt- und Nebenmahlzeiten zu wirken, schüttelte den Kopf. Der Wagen hatte sie bisher noch kein einziges Mal im Stich gelassen. Sie selbst verstand von der Technik wenig, aber Charles, der Dorfschmied, kümmerte sich um die Wartung und Pflege. Dafür durfte er sich das Auto auch zuweilen ausleihen.
»Auto, ärgere mich nicht«, murmelte Madame Claire verdrossen und starrte die Armaturen an. Wieder drehte sie den Zündschlüssel. Nichts geschah. Nicht einmal die Batteriekontrolle leuchtete.
Nun gut. Sie war nicht gezwungen, zu einer bestimmten Zeit ihre Arbeit zu beginnen. Bei dem unruhigen Tagesrhythmus des Professors spielte eine Stunde mehr oder weniger keine Rolle. Und immerhin war sie noch nicht draußen in freier Landschaft. Bis zur Schmiede waren es nur ein paar hundert Meter. Sie stieg aus, um Charles herbeizubitten. Sollte der Zusehen, was mit der Kiste los war.
Seine eigentliche Aufgabe als Schmied war in der modernen Zeit nur wenig gefragt. Vorwiegend reparierte er das landwirtschaftliche Gerät, und wenn jemand mal nicht seinen Traktor, sondern sein Auto zu ihm brachte, reparierte er auch das, und meist perfekter, als es in einer Vertragswerkstatt in Feurs, Roanne oder noch entfernteren Orten möglich gewesen wäre; von dem Problem, mit dem defekten Fahrzeug dorthin zu kommen, mal ganz abgesehen.
Madame Claire setzte ihre runden Pfunde in Bewegung, mit denen sie sich ganz wohl fühlte und die sie auch als Referenz genutzt hatte, als sie sich um die Stelle als Köchin im Château bewarb: »Möchten Sie einen klapperdürren Hungerhaken engagieren, der selbst ein Salatblättchen noch auf Kaloriengehalt untersucht und vor Tabellen und dem Studium von Büchern über angeblich gesunde Ernährung nicht mal zum Kochen kommt, oder jemanden, der einfach weiß, was gut schmeckt?« Dabei hatte sie mit beiden Händen auf ihre ›stillen Reserven in Gürtelhöhe‹ verwiesen - und Zamorra hatte gegrinst und den Vertrag per Handschlag geschlossen.
Madame Claire kam nur ein paar Meter weit.
Da kam ihr das Grauen entgegen und sprang sie an wie ein wildes Tier!
***
Eva hatte sich einen kleinen Imbiß gegönnt, da laut Auskunft Raffaels mit der Hauptmahlzeit erst zum frühen Abend gerechnet werden könne; die Köchin sei noch nicht eingetroffen. Ein paar Minuten später lief sie auf dem Korridor Professor Zamorra über den Weg.
»Haben Sie ein wenig Zeit?« wollte er wissen.
Sie lachte ihn an. »Zeit,
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