0619 - Das Para-Mädchen
drinnen«, erklärte Nicole und streckte den Arm wie einen Wegweiser aus. »Willkommen im Château Montagne.«
»Was? Wo?« fragte die Blonde verwirrt.
»Na, kommen Sie erst einmal mit. Wir beißen nicht«, sagte Zamorra.
»Hier draußen ist es doch verdammt kalt. Das Vorstellungsritual können wir auch drinnen absolvieren.«
»Beißen nicht«, versicherte Fooly, während er umständlich bemüht war, sich wieder zu erheben. Dabei entfesselte er mit den heftig schlagenden Flügeln einen Mikro-Tornado. »Wir beißen nicht.«
Er bleckte die Krokodilzähne.
»Natürlich. Wir beißen nicht. Glücksdrachen beißen nicht«, echote die Blonde tonlos.
Entschlossen nahm Nicole sie bei der Hand. »Mitkommen, aufwärmen«, entschied sie resolut und zog sie mit sich.
Zamorra warf Fooly einen Blick zu, stellte fest, daß der Jungdrache wieder auf seinen Beinen stand, und folgte Nicole und der Blonden. Fooly watschelte hastig hinter ihm her und schloß auf. »Chef«, prustete er atemlos. »Chef, ich habe da noch eine Frage. Wenn man etwas findet, bekommt man dann nicht auch Finderlohn?«
***
Im Kamin knisterte wärmendes Feuer, von Raffael Bois, dem alten Diener, rasch und sachkundig entfacht. In den Gläsern dampfte Glühwein, an dem sich Nicole und die Fremde labten. Draußen vor der Tür des Kaminzimmers hielt Fooly Zamorra zurück.
Er wirkte plötzlich sehr ernst, gar nicht wie der lustige Tolpatsch, der immer zu Streichen aufgelegt war.
»Chef«, raunte er. »Mit der Fundsache stimmt etwas nicht.«
»Wie meinst du das?«
»Vorhin, als sie aufwachte und mich ansah…«
»Hat sie aufgeschrien und ist geflüchtet«, sagte Zamorra. »Ich finde das ganz normal. Auf jemanden, der dich noch nie gesehen hat, wirkst du nun mal gefährlich. Erinnerst du dich, wie William auf dich reagiert hat, als du ihm damals auf der Landstraße vors Auto gelaufen bist?« [1]
»Ungern«, seufzte Fooly. »Ungern erinnere ich mich. Aber das hier war etwas anderes, Chef. Als sie mich angesehen hat - da war ich plötzlich ganz schwach.«
Zamorra runzelte die Stirn. »Du bist ein Drache, kein Mensch!« sagte er. »Wenn ein schönes Mädchen einen Mann ansieht, kann der schon mal schwach werden. Aber du… oder willst du behaupten, sie wäre ein verwunschenes Drachenmädchen?«
»Du redest Unsinn, Chef«, raunte Fooly. »Du weißt doch ganz genau, daß wir Drachen eingeschlechtlich sind. Also kann es kein Drachenmädchen geben. Nein, es ist etwas ganz anderes. Ich glaube, du willst es nicht verstehen, wie? Ich war schwach. Ich verlor an Kraft.«
»Deshalb bist du abgestürzt, als du fliegen wolltest?«
Fooly nickte heftig.
Zamorra sah nachdenklich an ihm vorbei den Korridor entlang. Foolys Flugkünste waren nicht gerade überragend und glichen eher denen eines liebeskranken Huhnes. Aber immerhin schaffte er es, sich in der Luft zu halten und sogar ziemlich weite Strecken in ziemlich großer Höhe zu fliegen, wenn er wollte. Daß die Flügel ihn nicht tragen konnten, kompensierte er dabei durch Drachenzauber. Es bestand also kein Grund, abzustürzen. Es sei denn…
»Ich dachte, du wolltest eine Schau abziehen«, sagte Zamorra. »Es hätte zu deinen großmäuligen Sprüchen gepaßt.«
»Wollte ich auch«, lamentierte der Drache. »Ich wollte durch die Lüfte gleiten wie ein junger Adler. Statt dessen bin ich auf die Nase gefallen. Ich hatte einfach keine Kraft mehr. Die war weg. Einfach so, Chef.«
»Als das Mädchen dich angeschaut hat?«
»Sage ich doch. Wovon rede ich eigentlich die ganze Zeit? Von der Vogelspinnenernte in Bananien oder was? Du bist doch sonst nicht so begriffsstutzig, Chef.«
»Du willst also andeuten, daß das Mädchen dir die Kraft geraubt hat?«
»Na endlich«, ächzte der Drache. »Sonst fällt dir doch der Schleichhase schneller ins Wendelkraut als jetzt. Sie ist gefährlich, Chef. Das versuche ich dir seit etlichen Hundertschaften von Sekunden beizubringen. Du mußt vorsichtig sein.«
»Gefährlich? Sie ist jedenfalls nicht schwarzmagisch«, sagte Zamorra. »Denn sonst wäre sie nicht durch die Abschirmung gekommen. Oder sollte die mal wieder Schwachstellen haben? Werde ich gleich mal selbst kontrollieren.«
»Habe ich schon erledigt«, sagte Fooly. »Dabei habe ich sie ja vor dem Tor gefunden. Ich habe ihr gleich nicht getraut.«
»Das hättest du auch vorher schon sagen können.«
»Ich wollte, daß du dir selbst ein Bild von ihr machst. Das willst du doch sonst auch immer.« Fooly wedelte kurz mit
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