062 - Das Moerderspiel
Augen zu sprechen.“
„Soll ich Sie allein lassen?“ fragte Elisabeth und stand auf.
„Nein, nein, bleiben Sie nur, Mademoiselle!“ sagte Tauern hastig. „Ich glaube, als Assistentin meines Freundes Berger verdienen Sie mein ganzes Vertrauen. Nun, Berger, ich glaube, ich habe mit Saturn einen schrecklichen Fehler gemacht.“
Berger hob die Augenbrauen. „Was wollen Sie damit sagen, Doktor?“
„Das Gehirn, das ich in die Leiche des Bergsteigers einpflanzte, ist nicht so unproblematisch, wie ich anfangs gedacht habe. Ich weiß nichts von seiner Abstammung. In Paris, als ich meine Konservierungsversuche begann, wagte ich nicht an einen Erfolg zu glauben. Daher habe ich es unterlassen, die Gefäße mit den Nährlösungen, in denen die Gehirne lagen, zu etikettieren. Nachher habe ich dann vergeblich versucht, etwas über seine Eltern zu erfahren. Das einzige, was man mir geben konnte, war eine Liste der während der fraglichen Periode verstorbenen Kinder. Es waren zwölf, unter ihnen Saturn. Die Eltern der meisten dieser Kinder sind völlig unauffällig, normal, gesund …“
Er sog heftig an seiner Pfeife, bevor er fortfuhr: „Aber eines davon hatte eine wahnsinnige Mutter und einen psychopathischen Mörder als Vater.“
„Aber Saturn muß nicht unbedingt jenes sein“, meinte Berger beruhigend. „Die Wahrscheinlichkeit ist elf zu eins …“
„Das habe ich mir auch gesagt“, unterbrach ihn Tauern. „Außerdem hat Saturn eine sorgfältige Erziehung genossen und war stets nur unter meinem Einfluß – so sehr, daß wir uns nun auf telepathischem Wege verständigen können …“
„Weshalb also Ihre Furcht?“
„Eben deswegen, weil ich in seinen Gedanken lesen kann!“
„Ist das nicht ein großes Wort?“
„Ja, Sie haben recht. Sagen wir lieber, daß die Gedankenübertragung, die manchmal zwischen uns stattfindet, mir gezeigt hat, daß Saturn böse Instinkte besitzt und zu negativen Reaktionen fähig ist.“
Berger lachte. „Tauern, für einen Wissenschaftler sind Sie zu sehr von Emotionen geplagt. Außerdem bin ich überzeugt, daß Sie Saturn nicht allein nach Seefeld geschickt hätten, wären Ihnen auch nur die geringsten Zweifel an seiner Gutartigkeit gekommen!“
Tauern nickte langsam. „Und nur die Zukunft kann weisen, ob die Operation, die ich an Saturn durchgeführt habe, ein Fortschritt oder ein Fehlschlag war. In zwanzig Jahren habe ich Saturn alles beigebracht, was ich wußte, aber es scheint mir, als würde er in diesen letzten drei Monaten langsam die hohen Prinzipien ablegen, nach denen ich ihn erzogen habe. In diesem Augenblick, weil Sie da sind – jawohl, Sie, Mademoiselle Sourbier – durchläuft er eine schwere Krise.“
Elisabeth errötete. „Ich kann mir nicht denken, aus welchem Grund ich verantwortlich sein soll für …“
„Sie sind nicht verantwortlich“, sagte Tauern. „Sie sind eine Frau, das ist alles. Seit er Sie erblickt hat, ist Saturn aufgewühlt und verwirrt. Ich weiß es, denn ich kenne mich in seinen Gedanken aus. Verstehen Sie: Geistig hat er mein Alter, physisch das des Bergsteigers. Wie soll man feststellen können, ob seine sexuellen Bedürfnisse körperlicher oder geistiger Natur sind?“
Berger zerdrückte seinen Zigarettenstummel im Aschenbecher. „Tauern, wenn Sie tatsächlich Zweifel und Vorbehalte haben, wäre es dann nicht besser, uns zu sagen, wer Saturn ist? Besonders jetzt, da wir unter uns sind? Vielleicht wäre das klüger.“
„Ich lese in seinen Gedanken, Berger, und er liest in den meinen. In diesem Moment weiß er, daß wir über ihn reden, und daß ich gar nicht mehr so überzeugt bin, ob er sich in jeder gegebenen Situation gut benehmen wird. Genauso gut weiß er aber, daß ich die Bande zwischen ihm und mir zerreiße, wenn ich seine Identität preisgebe.“
„Gut. Kann er Bridge spielen?“
„Er kann es.“
„Nun, so können wir also Ino Mitsubishi ausklammern.“
„Das wäre verfrüht“, meinte Tauern. „Ich sagte, er kann Bridge spielen, ich habe nicht gesagt, daß er eben spielt.“
Berger hob die Schultern. „Sie sind sehr unkooperativ!“ beklagte er sich.
„Wirklich? Und ich dachte, ich hätte Ihnen einen echten Hinweis gegeben, als ich sagte, Saturn wäre verliebt in Mademoiselle Sourbier!“
Berger wandte sich an Elisabeth. „Elisabeth, wer ist in Sie verliebt? Eine Frau spürt solche Dinge.“
„Ich fürchte, das ist auch kein Kriterium“, meinte Elisabeth bedauernd. „Da ich die einzige Frau
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