0626 - Dracula II ist wieder da
an das Kind heranzukommen? Das war eigentlich nicht zu fassen gewesen, die Mitglieder des Königshauses wurden gut bewacht. Daß Mallmann es trotzdem geschafft hatte, zeugte von seiner Schläue. Nicht umsonst war er einer der Besten beim BKA gewesen, und er hatte seinen früheren Job nicht verlernt. Er kannte jeden Trick, alle Kniffe und wendete sie auch an.
Der Junge regte sich nicht. Sein dunkles Haar war ihm in die Stirn gefallen. Das Gesicht kam mir bleich vor. Wahrscheinlich hatte Mallmann ihn unter Drogen gesetzt, oder sollte er dessen Blut gesaugt haben?
Ein tiefer Schock durchfuhr mich, als ich daran dachte. Ich suchte den Hals der Geisel nach hervortretenden Bißstellen ab, konnte aber keine entdecken. Außerdem war die Entfernung zu weit.
»Damit habe ich nicht gerechnet!« erlöste Sukos Stimme das tiefe Schweigen.
»Ich auch nicht.«
Mallmann hatte uns wohl nicht gehört, nur am Bewegen der Lippen erkannt, daß wir uns unterhielten. »Nun ja«, sagte er, »gegen mich kommt man nicht so leicht an. Wie sagte ich noch? Dracula II ist wieder da. Und das stimmt.«
Ich schwieg. Mallmann drehte den Kopf und gab seinen Getreuen ein Zeichen.
Die beiden Männer reagierten wie Automaten. Sie schleiften den Jungen wieder weg. Vampire waren es nicht, das hätte ich gesehen, auch als Menschen mußten sie Mallmann treu ergeben sein, klar, wenn sie sich aus Mitgliedern der ehemaligen Mörderclique Securitate zusammensetzten.
Ich dachte an Marek, den Pfähler, der in Rumänien die Stellung hielt. Wir hatten von ihm lange nichts mehr gehört. Demnach war auch ihm nicht aufgefallen, daß Mallmann seinen Aufenthaltsort gewechselt hat.
»Was seid ihr so schweigsam?« sprach er und breitete die Arme aus, als wollte er uns umschlingen. »Ihr habt bestimmt zahlreiche Fragen. Los, stellt sie!«
»Du willst dich gern erklären, wie?«
»Ich kann es nicht leugnen.«
»Seit deiner Verwandlung ist auch die Selbstdarstellung immer größer geworden, Mallmann!« sagte Suko. »Es kann durchaus sein, daß du dich überschätzt.«
»Das glaube ich kaum, denn ich habe etwas geschafft, was bisher niemandem gelungen ist. Den Beweis brauche ich euch wohl nicht noch einmal vorzuführen.«
Darauf konnten wir verzichten. Wir mußten auch anders denken und uns an das Verhalten unseres Chefs erinnern. Für mich kamen da einige Dinge zusammen, die beim ersten Hinschauen nichts miteinander zu tun hatten, später aber sehr wohl zusammenfanden.
»Gut, Mallmann«, sagte Suko. »Dann erzähle uns mal, wie du es geschafft hast. Du wirst sonst noch platzen, und das wollen wir nun nicht.«
Er lachte krächzend. »Um große Dinge einzufädeln, muß man sich über gewisse Schranken hinwegsetzen. Ich wollte euch haben, ich muß euch auslöschen, das habe ich euch schon immer gesagt. Aber ich habe auch Respekt vor euch. Von allein wäre keiner von euch in meine Falle gelaufen. Dazu seid ihr einfach zu schlau.«
»Danke für das Kompliment«, sagte ich trocken.
»Das sind keine Komplimente, denn manchmal kann es gefährlich sein, wenn man zu schlau ist. Ich griff zu einem Trick. Es gelang mir, den Jungen zu entführen.«
»Und seine Bewacher?« sprach ich dazwischen.
»Liegen tot in der Themse. Echt tot, nicht untot. Ich bekam also den Jungen, und ich setzte meinen Plan fort. Nichts durfte in die Öffentlichkeit dringen. Einen Mann namens Rick Morley hatte ich geschmiert. Meine Blutreserven an Schaufensterpuppen diente für euch als Lockmittel, und Morley reagierte gut. Was ihr nicht wußtet, war folgendes: Ich hatte euren Chef Sir James längst eingeweiht. Er hat sich dann mit den entsprechenden Stellen des Königshauses und des Innenministeriums in Verbindung gesetzt. Meine Forderung war klar. Ich lasse den Jungen laufen, wenn ich euch dafür bekomme.«
»Und Sir James wußte es?« fragte ich.
»Ja.«
»Deshalb also«, flüsterte Suko. »Deshalb sein seltsames Benehmen.«
Mallmann lachte, als er unsere überraschten Gesichter sah. »Ihm blieb ja nichts anderes übrig, als mitzuspielen. Er war von ganz oben verdonnert worden. Wahrscheinlich hofft er, daß ihr es trotz allem noch schafft. Das ist eine falsche Hoffnung. Ich habe für euch alles vorbereitet, und den Jungen werde ich nicht freilassen.«
»Du bist ein Dreck…!« Ich verschluckte mich an meinen eigenen Worten. Das Blut war mir ins Gesicht gestiegen, und ich zwang mich dazu, ruhig zu bleiben.
»Ah, John Sinclair, du weißt doch, daß ich mich nicht beleidigen lasse. Da
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