0626 - Kopfjagd in der Höllenwelt
Tor standen Männer in weißen, polierten Rüstungen. Kein Zentimeter ihres Körpers war frei. Sie trugen schwere Panzerhandschuhe, und die Visiere vor ihren Helmen waren heruntergeklappt. Vergeblich versuchte Santor hinter den schmalen Sehschlitzen die Augen der Männer zu erkennen.
Fackeln brannten. Die Weißgerüsteten traten vor. Sie hielten weiße Rohre in den Händen, unterarmlang und harmlos aussehend. Unwillkürlich sah Santor nach oben. Hier vor dem Kastelltor konnte er die schwarzen Rohre der Festungstürme nicht mehr sehen, aber die Ahnung beschlich ihn, daß dies dieselben Waffen waren, nur erheblich handlicher.
Vor den drei Männern hielt er an.
»Ich bin Dominus Santor aus der Königsstadt Sarnalon, und ich begehre den Kaiser zu sprechen. Es geht um Leben und Tod.«
Einer der Weißgepanzerten senkte sein Rohr und trat heran. Seine gerüstete Hand strich über den Schimmel, der nervös zur Seite tänzelte. Santor fragte sich, warum der Soldat das tat. Durch den Panzerhandschuh konnte er doch nichts fühlen. Oder…?
»Du bist sehr schnell geritten«, schnarrte die Stimme, durch den Helm etwas verzerrt. »Es scheint wirklich wichtig zu sein. Santor, sagtest du?«
Der Dominus beugte sich vor.
»Rede mich respektvoller an, Knecht«, fuhr er den Soldaten an und wiederholte seinen Namen und seine Herkunft. »Es eilt. Im Palast brennen noch Lichter. Der Kaiser wird kaum schon schlafen.«
»Es steht dir nicht zu, über die Zeit des Kaisers und sein Tun zu bestimmen, Dominus«, schnarrte der Soldat. »Doch werde ich deine Ankunft melden. Sitz derweil ab.«
»Danke, ich sitze hier oben entschieden besser«, knurrte Santor. »Beeile dich.«
Der Soldat wandte sich um. Er marschierte ins Tor. Er bewegte sich dabei so leise und mit solcher Leichtigkeit, daß die Rüstung keineswegs aus Stahl sein konnte. Zudem klirrte sie nicht metallisch. Was mochte es für ein Material sein? Es schien Santor, als stehe er vor einer völlig fremden Welt, die mit der seinen nichts gemein hatte.
Er war beunruhigt. Wie würde der Kaiser reagieren, wenn er von Santors Ankunft erfuhr? Lieber wäre der Dominus unangemeldet eingedrungen. Unter anderen Umständen hätte er sich von den drei Wachsoldaten nicht aufhalten lassen. Er hätte sie niedergeritten und wäre weitergestürmt. Hier jedoch war er vorsichtiger. Der Palast befand sich zu nah an den glühenden Bergen. Die Schutzmaßnahmen mußten enorm sein. Und die schwarzen Rohre und die seltsamen weißen Rüstungen gefielen ihm gar nicht. Er hatte sie noch nie zuvor gesehen, auch nicht, wenn die Truppen des Kaisers durch das Tiefland zogen.
Er sah durch die offenstehende Tür, wie der Soldat einen Kristall berührte, der jäh aufleuchtete. Er sprach hinein. So, wie er sprach, veränderte der Kristall sein Leuchten. Dann kam eine flackernde Antwort. Santor begann zu ahnen, auf welche Weise der König in Sarnalon in seiner Hilfsbereitschaft gebremst worden war. Offenbar gab es ähnliche Verbindungen zu den Städten im Tiefland.
Magie…? Oder etwas, was ein streng gehütetes, vielleicht gefährliches Geheimnis war?
Der Weiße kam zurück. Er streckte den Arm aus.
»Reite, Dominus. Man erwartet dich«, schnarrte er.
Santor zwang das matte Pferd, noch einmal weiterzugehen. Als er den Innenhof des Kastells durchquert hatte und durch das andere Tor auf die breite Brücke hinaus trat, hörte er hinter sich ein dumpfes Geräusch. Er fuhr herum und sah, daß die Zugbrücke hochgezogen worden war.
Eine Falle, durchfuhr es ihn. Ich sitze in einer götterverdammten Falle…
Er begann jetzt erst, knapp vor dem Ziel, zu überlegen, ob es wirklich richtig war, was er hier tat. Wäre es zu seiner eigenen Sicherheit nicht besser gewesen, mit einer Horde wildentschlossener Männer vorzustoßen? Jetzt war es dazu zu spät. Er war allein hier und mußte Zusehen, wie er zurecht kam.
Seine Hand berührte den Schwertgriff. Die Berührung gab ihm neue Sicherheit.
Gut, man erwartete ihn also. Wenn der Kaiser ihn töten wollte, würde Santor ihn mit in den Tod nehmen. Soviel traute er sich zu. Auf seinen Reisen hatte er oft genug gegen Räuberbanden kämpfen müssen. Er verstand zu fechten.
Doch dann dachte er wieder an die weißen Rüstungen und an die unterarmlangen Rohre, die einzige Bewaffnung der Soldaten. Und die Unsicherheit kam zurück.
***
Man erwartete ihn tatsächlich. Eine Zehntschaft der Weißgerüsteten sah ihm in lockerer Formation entgegen. Santor murmelte eine lautlose
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