0627 - Nadine und die Mörderwölfe
sich auch ihre Gefühle widergespiegelt hatten.
Als der Junge an sie dachte und sie mit der Fremden verglich, bekam er Angst. Das fiel auch der fremden Frau auf. »Was ist los mit dir, Junge?«
»Ich… ich weiß nicht.«
Sie lachte leise. »Du kennst mich doch. Oder kannst du dich an deinen Traum nicht mehr erinnern?«
»Doch – sicher…«
»Na bitte. Da habe ich mein Kommen angekündigt, Johnny. Ich will dir auch sagen, daß ich nicht grundlos bei dir erschienen bin. Ich habe mich schicken lassen. Diejenige Person, die mich schickte, hat darauf gedrungen, daß ich nur mit dir Kontakt aufnehme und mit keinem anderen. Du darfst deine Eltern nicht einweihen.«
»Das dachte ich mir. Wer ist es denn?«
Die Unbekannte zeigte ein noch freundlicheres Gesicht. »Jemand, der große Sehnsucht nach dir hat, mein Junge. Deine beste Freundin. Muß ich den Namen sagen?«
»Nadine!« stieß Johnny hervor.
Sofort legte die Frau einen Finger auf ihre Lippen. »Nicht so laut, niemand soll aufwachen.«
Johnny senkte die Stimme und beugte sich vor. »Wo kann ich Nadine denn finden?«
»Leider nicht hier«, klang es bedauernd zurück.
»Wo ist sie denn?«
»Ich weiß es, und ich soll dich zu ihr führen.«
»Warum kommt sie nicht selbst?«
Die Unbekannte schüttelte den Kopf. »Das ist leider nicht möglich. Ich kann dir die Gründe im einzelnen nicht erklären, Junge. Du mußt mir schon vertrauen.«
Johnny überlegte. Er tastete das Gesicht der Frau ab und suchte nach einer Spur von Falschheit, die er allerdings nicht fand. Trotz der kalten Augen empfand er den Blick nicht einmal als unsympathisch. Wenn ihm etwas an Nadine gelegen war, mußte er die Chance ergreifen.
»Aber warum ohne meine Eltern?«
»Ganz einfach, mein Junge. Nadine hat zu dir ein besonderes Verhältnis aufgebaut. Sie weiß, daß sie dich durch ihr Verschwinden enttäuscht hat, und sie will wieder etwas gutmachen. Einen anderen Grund für ihr Verhalten kann ich dir nicht nennen.«
Johnny nickte einige Male, obwohl ihn die Worte nicht richtig überzeugt hatten. Aber er mußte sich entscheiden. Jetzt und hier, die Unbekannte würde nicht länger warten.
»Ist es weit von hier?«
Die Frau lachte leise. »Anziehen mußt du dich schon. Du kannst nicht einfach in deinem Schlafanzug weglaufen.«
»Ja, das finde ich auch.«
»Dann komm bitte.«
»Moment noch.« Johnny drehte ihr den Rücken zu. Er ging dorthin, wo seine Kleidung lag und das Zimmer noch dunkler war als in der Nähe des Fensters.
Johnny wunderte sich über sich selbst, wie wenig seine Hände zitterten, als er in Hose, Hemd, Pullover schlüpfte, seinen hellen Schrank öffnete und den gefütterten hellblauen Anorak vom Bügel nahm. Er tastete noch in den Fächern an der linken Seite herum, warf einen Blick über die Schulter zum Fenster hin, wo die Frau wartete, ihm allerdings ihr Profil zugedreht hatte und nicht mehr direkt in den Raum schaute.
Wenig später hatte Johnny den Anorak übergestreift. »Ich bin okay«, wisperte er der Person entgegen.
»Wunderbar, dann komm.«
Johnny ging bis zum Fenster vor, wo die Frau ihm bereits die Hand entgegenstreckte, um ihm ins Freie zu helfen. Für Johnny war es eine Kleinigkeit durch das Fenster nach draußen zu klettern, wo er auf beiden Beinen landete.
»Alles klar, Junge?«
»Bei mir schon.«
Die Frau lachte sehr leise. »Und bei mir auch.« Sie faßte nach seiner Hand. Ihr Griff war sehr fest, beinahe klammerartig, Johnny wurde etwas unwohl.
Sie zog ihn in den Garten hinein und hörte die Frage des Jungen.
»Wie heißen Sie eigentlich?«
»Du kennst mich nicht?«
»Nein.«
»Morgana Layton ist mein Name!«
***
Es war noch Zeit bis zum frühen Morgen, doch Schlaf konnte Bill Conolly nicht finden. Immer wieder hatte er sich von einer Seite auf die andere gewälzt und gedankenschwer die einzelnen Probleme durchlitten. Die Minuten vergingen nur zäh.
Manchmal war auch Sheila erwacht, hatte nach seiner Hand gefaßt, als suchte sie einen Halt, denn auch ihr fiel es schwer, tief und fest zu schlafen.
Oft genug öffnete sie die Augen, wobei sie nur einen kurzen Schlummer gehabt hatte.
»Du kannst auch nicht schlafen?« flüsterte Bill.
»Kaum.« Sheila richtete sich auf und schaute über das Bett hinweg zur Tür. »Manchmal habe ich den Eindruck, als würde Nadine jeden Moment ins Zimmer schleichen.«
»Da geht es dir nicht allein so.«
Sie atmete stöhnend aus. »Daß immer nur Johnny diese schlimmen Träume bekommt. Unsere
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