0627 - Tanz der Kobra
Wagen paßten. Größer durfte die Familie nicht wieder werden, oder sie mußten sich darüber einig werden, wieder zu Fuß mit den Karren zu gehen oder ein zweites Auto anzuschaffen. Dafür würde jedoch das Geld nicht reichen. Das Geschäft ging nicht immer so gut wie jetzt, da sie ein wenig Geld zurücklegen konnten für schlechtere Zeiten. Dann konnte es geschehen, daß sie sich sogar dieses eine Auto, Andras Stolz, nicht mehr leisten konnten.
Rahan fuhr langsam.
Andra dachte nach.
Er war sicher, geträumt zu haben, daß er die Messing-Kobra aus dem Dorf getragen und freigelassen hatte. Oder war es mehr als ein Traum gewesen?
»Halt bitte mal an«, sagte er plötzlich.
Verwundert tat ihm Rahan den Gefallen.
Andra stieg aus und ging nach hinten. Er zog den Korb zu sich heran und öffnete ihn.
Die Messing-Kobra befand sich darin.
Er hatte also nur geträumt, sie freigelassen zu haben!
»Was ist los?« fragte Belani, die jetzt ebenfalls ausstieg. Sie sah, womit sich ihr Mann befaßte. »Willst du das Biest endlich wegtun?«
Er legte den Deckel wieder über den Korb.
»Ich kann es nicht«, flüsterte er. »Shiva weiß, daß ich es möchte, daß ich es versucht habe…«
»Wann versucht?«
»Laß mich in Ruhe!« erwiderte er schroff.
Er wandte sich ab und wollte die Hecktür schließen. Aber Belani hinderte ihn daran.
»Dann lasse ich sie jetzt frei«, verkündete sie. »Wir sind weit genug fort von den Dörfern. Hier kann sie kaum Schaden anrichten.« Sie griff in den Korb und nahm die Kobra heraus. Die Schlange am Schwanzende nach unten baumeln lassend, hielt sie sie mit ausgestrecktem Arm weit vom Körper ab - dafür, daß die Messing-Kobra nur unterarmlang war, viel zu weit, aber es war ein alter Reflex, antrainiert schon in der Kindheit.
Sie ging ein paar Dutzend Meter in die Steppenlandschaft hinaus.
Andra sah ihr nach, dann wandte er sich um und fühlte éine seltsame Erleichterung. Was er nicht fertigbrachte, tat nun Belani. Sie nahm ihm eine ungeliebte Arbeit ab, nahm ihm eine schwere Last von den Schultern. Dennoch konnte er sich irgendwie nicht darüber freuen.
Er stieg wieder in den Wagen und nahm Siha auf den Schoß.
Ein paar Minuten später kam Belani wieder zurück. Sie schloß die Hecktür des Kombis, kletterte wieder auf die Rückbank und war ungewöhnlich schweigsam.
Niemand wunderte sich darüber.
Es war ihr sicher nicht leichtgefallen, die wunderschöne Messing-Kobra so lange vor der Zeit wieder freizugeben. Dieses einmalige Wesen, wie es noch keiner von ihnen je zuvor gesehen hatte.
Rahan fuhr weiter.
***
Etwas eigenartiges war geschehen.
In jenem Moment, in dem Belani die Schlange schwungvoll fortwerfen wollte, hatte diese ihren Körper zusammengerollt und zugebissen. Ganz kurz und leicht nur, aber es hatte gereicht, daß Belani erschrocken den Arm heranzog und damit der Messing-Kobra die Chance gab, ein weiteres artistisches Kunststück zu vollbringen, sich aus ihrer Hand zu drehen und unter ihr Gewand zu schlüpfen.
Noch während Belani entsetzt die Bißwunde an ihrem Unterarm anstarrte, biß die Messing-Kobra ein zweites Mal zu.
Danach war Belani nicht mehr entsetzt.
Sie wußte jetzt, daß alles so richtig war, wie es geschah. Sie konnte keine Bißwunde mehr entdecken, sie spürte auch keinen Schmerz mehr, und sie lebte auch nicht mehr.
Gelassen kehrte sie zum Wagen zurück, schloß die Hecktür und stieg vorn zu den anderen ein. Niemand von ihnen wußte, was geschehen war. Niemand ahnte, daß Belani unter ihrem Gewand zwei Messing-Kobras trug.
***
»Was soll das?« fragte der Mann mit dem kurzgeschnittenen, rötlichblonden Haar. Sein etwas kantiges Gesicht blieb starr; nur die Lippen bewegten sich. »Warum hast du dich ihnen gezeigt? Das macht sie mißtrauisch!«
»Es beschleunigt das Geschehen, Commander«, sagte die schwarzhaarige Frau.
»Du spielst«, sagte Bishop. »Aber das hier ist kein Spiel.«
»Du spielst doch auch - spielst den harten Soldaten. Den Offizier…«
»Im Ruhestand«, konterte er prompt. »Ich bin Ssacahs Hohepriester. Ich bestimme, was zu geschehen hat. Und ich sage dir, du warst mehr als unvorsichtig. Wir hatten eine Absprache.«
Sie öffnete den Mund. Eine gespaltene Zunge zuckte hervor. Sekundenlang sah Bishop die Fangzähne, dann sah die Schwarzhaarige wieder aus wie eine normale Menschenfrau.
»Ssacah gewährte mir freie Hand«, sagte sie. »Das nehme ich in Anspruch. Du hast bisher versagt. Dein Versuch, Ssacahs Ableger
Weitere Kostenlose Bücher