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0627 - Tanz der Kobra

0627 - Tanz der Kobra

Titel: 0627 - Tanz der Kobra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Abertausende Gedanken, in einer Person konzentriert, in diesem grell leuchtenden Augenpaar, das ihn mit sich in die Tiefen von Zeit und Raum reißen wollte, aber im nächsten Augenblick war das alles schon wieder vorbei, und da war nur der alte Mann im Schein der langsam vergehenden Glut.
    Ein Schatten in der Nacht, und obgleich das Feuer sein Gesicht anfeuchtete, konnte Andra nur dunkle Flecken dort sehen, wo sich seine Augen befanden.
    Er konnte schon nicht mehr an das denken, was er eben gesehen hatte.
    »Ergib dich dem Bösen, oder töte es«, sagte der Dürre.
    »Was willst du damit sagen?«
    »Alles ist, wie es ist, aber nicht alles, was ist, ist gut. Wenn du das Böse nicht tötest, wirst du dich ihm ergeben. Seine Macht ist schon groß, auch seine Macht über dich und die deinen. Noch gibt es einen Weg, indem du tötest. Entscheide dich.«
    »Du sprichst in Rätseln, aber ich habe auch so schon genug Probleme und brauche keine weiteren Rätsel mehr, die mich belasten. Ich möchte ruhig schlafen und…«
    »Der Schlaf ist des Todes Bruder. Schlaf und stirb«, sagte der Alte. Er erhob sich und wandte sich ab, schritt einfach davon, zwischen die Hütten.
    Auch Andra sprang jetzt auf.
    »Was soll das?« stieß er hervor. »Warte, du kannst nicht einfach…«
    Er folgte dem dürren Mann. Aber er konnte ihn nicht mehr finden. Im Schatten zwischen zwei Hütten hatte er sich scheinbar in Nichts aufgelöst.
    Nicht einmal mehr Schritte oder das Knacken von Zweigen waren zu hören.
    »He«, rief Andra leise. »Wo bist du?«
    In der Hütte neben ihm regte sich etwas. Der Dorfälteste zog die Tür auf. »Was lärmst du, Paria?« fragte er. »Warum störst du den Schlaf?«
    »Verzeih«, sagte Andra und kehrte zu den Zelten zurück.
    Paria!
    Unberührbarer!
    Es traf ihn hart, diese Bezeichnung, die ihm wieder einmal klarmachte, daß er und die Seinen zur niedrigsten aller Kasten gehörten. Die Unberührbaren, die Ausgestoßenen. Nur der Tatsache, daß sie andere Menschen mit ihrer Kunst und dem Tanz und dem Spiel der Schlangen unterhielten, verdankten sie, sich überhaupt unter ihnen bewegen zu dürfen. Und dem Ansehen, das ihre Heilkunst mit sich brachte. Ohne das hätten sie sich alle dem Feuer nicht einmal nähern dürfen - nicht ohne direkte Aufforderung eines der Dorfbewohner, die alle zu höheren Kasten gehörten. Auch sie waren niedrige, aber der Niedrigste von ihnen stand immer noch höher als einer der Parias.
    Für die Vorstellung und das Fest danach war die Bendhi-Familie akzeptiert gewesen. Nun aber war das vorbei, und sie waren wieder die Unberührbaren.
    Vielleicht, wenn jemand im Dorf von einer Giftschlange gebissen wurde, dann…
    Doch das wünschte Andra Bendhi niemandem. Dieser Preis für ein wenig Achtung war zu hoch. Wenn es geschah, passierte es eben, aber er sehnte sich nicht danach.
    Zwischen den drei Zelten, die die Bendhis aufgeschlagen hatten, und dem Wagen blieb er stehen. Er dachte an die Worte des dürren Mannes. Ergib dich dem Bösen, oder töte es.
    Andra ahnte, was der Fremde meinte.
    Mit dem Bösen meinte er die Messing-Kobra. Andra sollte die Schlange töten.
    Aber er hatte noch nie eine Schlange getötet. Das wäre, als würde er einen Freund ermorden. Und es wäre ein Verstoß gegen den alten Eid, den alle Schlangenfänger Shiva einst gegeben hatten. Nein, er konnte die Kobra nicht töten.
    Er konnte sie nur wieder freilassen.
    Und das tue ich jetzt! beschloß er und öffnete die Hecktür des Vauxhall-Kombis.
    ***
    Zamorra marschierte voran. Auf dem Pfad, unter den Bäumen, war es bereits dunkel geworden, und er leuchtete mit der Taschenlampe die Umgebung aus, sorgfältig auf alles achtend, was auf dem Boden zubeißen oder -stechen mochte oder sich von überhängenden Ästen fallen lassen wollte. Zwischendurch sah er einige Male auf die Armbanduhr; die Zeit verstrich jetzt schneller, als ihm lieb war.
    Er fragte sich, wie weit es noch bis zur nächsten Ansiedlung war. Daß die Frau, die sich Rabindra Tegore nannte, zu Fuß unterwegs war, nahm er nicht unbedingt als Maßstab. Vielleicht besaß sie wie der Warner noch ganz andere Möglichkeiten der Fortbewegung, und er hatte auch nicht vergessen, daß sein Amulett Magie angezeigt hatte. Es mochte sein, daß sie sich mitsamt ihren Begleitern fortteleportiert hatte, kaum daß sie außer Sichtweite der beiden Dämonenjäger war.
    Deshalb konnte das nächste Dorf noch mehr als einen Tagesmarsch entfernt sein.
    Indien hat zwar eine

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