0627 - Tanz der Kobra
hierher?«
***
Nicole hatte davon nichts bemerkt. Ihre Aufmerksamkeit galt den Schlangenfängern, die die neue Kobra zum Auto brachten. Immer wieder tastete sie mit ihren mentalen Fühlern nach den Gedanken der anderen. Sie konnte sie klar wahrnehmen und ließ sie daher weitgehend unberührt; es interessierte sie nicht, woran diese Menschen dachten, wovon sie träumten und was sie erhofften. Ihre kleinen intimen Geheimnisse sollten geheim bleiben.
Aber bei Belani kam Nicoles Telepathie einfach nicht durch!
Und das war nicht normal.
Angesichts der Fakten lag der Verdacht sehr nahe, daß Belani vom Ssacah-Keim infiziert war. Wenn ja, war sie verloren. Es gab nur ganz wenige Lebewesen, die bisher einen Biß der Messing-Kobras überstanden hatten. Dazu zählte Merlins Tochter Sara Moon, und dazu zählte auch Zamorra. Aber beide ließen sie sich nicht mit normalen Menschen vergleichen. Sara Moon war eine Silbermond-Druidin, und Zamorra hatte erstens vom Wasser der Quelle den Lebens getrunken und war zweitens vor geraumer Zeit vom Blauen Tod geheilt worden. All diese Vorzüge genossen Normalsterbliche zu Nicoles Bedauern nicht.
Nicole fragte sich, was sie dann tun sollte.
Belani erschießen?
Sie wäre so oder so bereits tot. Auch wenn sie sich noch wie eine Lebende bewegte. Und sie wäre eine hörige Dienerin des Kobra-Dämons. Zwar würde sie nicht ein zweites Mal gebissen werden können, um dabei Lebensenergie abzugeben - die sie ja nicht mehr besaß - und dabei eine weitere Messing-Kobra entstehen lassen, aber sie konnte trotzdem anderweitig noch genug Schaden anrichten, indem sie für Ssacah tätig wurde, ihm möglicherweise weitere Opfer zuführte.
Daher wäre es eine Form der Schadensbegrenzung, die bereits tote Belani - die Untote - endgültig zu erlösen. Aber Nicole scheute davor zurück. An dere untote Dämonendiener und Zombies machten einen entsprechenden äußeren Eindruck des permanenten Verfalls. Bei den Ssacah-Dienern war das anders. Sie blieben äußerlich frisch und munter, waren von normalen, lebenden Menschen nicht zu unterscheiden. Das erzeugte eine Hemmschwelle. Wer nicht über ausgeprägte Killerinstinkte verfügte, war automatisch gehandicapt. Es war, als würde man einen noch lebenden Menschen ermorden, statt einem Untoten die Ruhe zu geben, die ihm der Dämon vorenthielt.
Nicole hoffte immer noch, daß sie sich irrte und die ›Gedankenlosigkeit‹ der Inderin eine andere Ursache hatte.
Natürlich hatten Zamorra und sie von Anfang an damit gerechnet, mit Ssacah-Dienern zu tun zu bekommen. Deshalb waren sie ja hier. Und es war ja auch nicht das erste Mal. Trotzdem war es immer wieder aufs Neue ein gewaltiger Unterschied, alles in der Theorie - oder später in der Erinnerung - durchzuspielen, und direkt eine Entscheidung treffen zu müssen.
Sie erreichten den Kombi. Rahan öffnete ihn und zog einen Korb hervor. Andra hielt immer noch die Schlange. Er redete beruhigend auf das Reptil ein, das sich immer wieder zu winden und mit dem Kopf hoch zu kommen versuchte, aber es besaß die Kraft dazu einfach nicht - und um so weniger, je öfter die Schlange es versuchte und durch die Anstrengung ihre Kräfte vergeudete.
Nicole fragte sich, wie das bei einer Würgeschlange war. Bei den Anakondas oder Boas, die über weitaus stärkere Muskeln verfügten, weil sie sich um ihre Beute ringelten und sie erdrückten, statt sie zu vergiften. Die besaßen vermutlich genug Kraft, sich emporzustemmen.
Aber sie gab es hier auch nicht. Und vermutlich würden die Gaukler sich auch überhaupt nicht mit diesen Riesenschlangen einlassen, weil sie nicht so spektakulär agierten wie die hochgiftigen Kobras. Sicher, auch eine Boa Constrictor hatte ihren Reiz, wenn man mit ihr spielte - aber eine Giftschlange war doch wesentlich effektvoller und makabrer. Menschen fürchteten Gift weitaus mehr als Muskelkraft.
Rahan nahm den Deckel vom Korb. Andra hielt die Schlange über das Behältnis und - zuckte zurück. Unwillkürlich ließ er die Kobra fallen, die sofort zu flüchten versuchte; aber wieder war es die kleine Siha, die sie einfing und sicher festhielt.
»Was, bei Shiva…« stieß Andra hervor.
Wie zufällig schob sich Belani nach vorn, behinderte dabei Rahan in seiner Ausweichbewegung.
Etwas Messingfarbenes zuckte aus dem Korb hervor und verbiß sich in Rahans Brust.
***
Zamorra eilte auf den Jeep zu, ohne sich weiter um Nicole zu kümmern. Sie kam bei dem, was sie vorhatte, auch allein sehr gut klar. Er
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