0628 - Der Sturmteufel
Jemand hatte die Eingangstür geöffnet.
Da stand ein junger Mann, schlank, ziemlich groß, mit sehr hellem, etwas zerzaust wirkendem Haar. Er lächelte ihr zu.
»Sie sehen aus, als könnten Sie Gesellschaft brauchen«, sagte er. »Ich bin Giorgio Burrasco. Darf ich Sie mit meiner Gesellschaft belästigen und Sie in ein Eiscafé einladen?«
Eva sah ihn sprachlos an. So direkt hatte sie noch nie jemand angesprochen.
Noch nie? Woher wollte sie das wissen? Sie verfügte schließlich über keine Erinnerung und damit auch über keine Erfahrung in diesen Dingen!
Sein Lächeln wurde noch wärmer.
»Bitte… tun Sie mir den Gefallen?«
»Warum?« fragte sie. »warum laden Sie mich ein? Wollen Sie mich verführen? Ist das Ihre Masche?«
»Oh«, machte er. »Nun, Sie sehen ein wenig einsam und leicht verwirrt aus, und ich habe Zeit. Ich möchte Sie ein bißchen aufmuntern. Ganz ohne Hintergedanken. Oder… fast ohne«, fügte er hinzu. »Das aber bestimmen Sie. Ich werde Sie nicht gegen Ihren Willen belästigen oder gar bedrängen. Ich bitte Sie nur, meine Gesellschaft für eine Weile zu akzeptieren.«
»Ich stehe nicht auf Männer«, gab sie zurück.
»Das ist schade, denn Sie sind sehr attraktiv. Aber vielleicht nehmen Sie meine Einladung ja doch an?«
»Sie geben wohl nicht auf, wie?« fragte sie kopfschüttelnd. »Lassen Sie mich in Ruhe.«
»Wie Sie wollen«, sagte er und trat zurück, gab ihr den Weg frei.
Sie zögerte einen Moment; vielleicht sollte sie doch erst noch im Hotel bleiben und abwarten, bis der Bursche verschwunden war. Aber er schien sich hier einquartieren zu wollen, denn er steuerte jetzt die Rezeption an. Auch das noch , dachte sie.
Und trat ins Freie.
In den windstillen Spätnachmittag hinaus.
Sie glaubte in einiger Entfernung jene Nicole Duval zu sehen und wandte sich in die andere Richtung. Zügig schritt sie aus, um außer Sichtweite zu geraten.
***
Eine düstere Gestalt bewegte sich durch die obere Etage. Hätte sich in diesem Moment jemand auf dem Korridor befunden, hätte er sich später nicht an das genaue Aussehen des Fremden erinnern können.
Der Düstere bewegte sich schattenhaft schnell, erreichte ein verschlossenes Zimmer und fand in dem einfachen Zylinderschloß kein Hindernis. Mühelos öffnete er die Tür. Rasch sah er sich um und erkannte, daß er hier richtig war.
Er hob die Hand, aus deren Fingern Krallen wuchsen, und machte eine schnelle Handbewegung. Die Schranktür öffnete sich. Lucifuge Rofocale griff nach der Lederkleidung. Er entdeckte den Dolch und zog ihn aus der Scheide. Seine Krallenspitzen strichen über die Klinge.
Funken sprühten auf, tanzten über das Metall. Dann schob der Erzdämon den Dolch wieder zurück.
Seine Krallen berührten das Leder an verschiedenen Stellen. Abermals sprühten die Funken. Dann legte Lucifuge Rofocale alles wieder so in den Schrank zurück, wie er es vorgefunden hatte. Die Tür schloß sich von selbst.
Der Dämon durchmaß das Zimmer, nahm hier und da kleine Manipulationen vor, die für das menschliche Auge nicht erkennbar waren.
Dann verließ er das Zimmer durchs Fenster. Draußen breitete er seine Schwingen aus und ging auf Abstand zum Hotel.
Die Falle war gestellt.
***
Als Nicole sich wieder einmal umschaute, sah sie Eva gerade in eine Seitenstraße abbiegen.
Eva?
Seitenstraße?
Hatte das Para-Mädchen nicht im Zimmer allein sein wollen?
Aber natürlich hatte Eva mit keinem Wort erwähnt, daß sie nicht vielleicht doch einen Ausflug machen würde, und wer hätte es ihr auch verbieten sollen?
Nicole zögerte. Was sollte sie tun? Weiter auf die Rückkehr des Mannes mit der Windstoßfrisur warten, oder Eva folgen?
Die mußte einen Grund haben, weshalb sie ausgerechnet jetzt das Hotel verließ!
In diesem Moment wurde der Maserati gestartet.
Nicole zuckte zusammen.
Sie hatte nicht gesehen, wie der Fahrer zu seinem Wagen zurückgekehrt war! Dabei hatte sie das Auto nur jeweils für kurze Zeit aus den Augen gelassen. Spätestens etwa alle 30 Sekunden hatte sie sich umgedreht, damit ihr auf keinen Fall etwas entgehen konnte, und so schnell konnte niemand aus einem Haus oder sonstwoher auftauchen, einsteigen und losfahren!
Sie hatte auch nicht gehört, wie die Autotür zugeschlagen wurde!
Aber der Mann mit dem hellen Haar saß jetzt hinter dem Lenkrad, kurbelte daran und zog den Wagen herum. Wendete, schnitt dabei zwei andere Fahrzeuge, deren Fahrer jetzt doch wild auf die Hupe drückten, und raste mit
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