0629 - Attacke der Werwölfe
Unglaubhaft, unwahrscheinlich von vorn bis hinten. Aber warum sollte Cordona ihm ein Märchen erzählen? Was brachte es ihr ein?
Ihn auflaufen zu lassen und lächerlich zu machen?
Nein, sie meinte es ernst. Er konnte es in ihren Gedanken erkennen. Seine schwachen Para-Fähigkeiten reichten dazu aus. Sie war für ihn offen wie ein aufgeschlagenes Buch. Er erlebte es selten, so leicht in den Gedanken eines anderen Menschen forschen zu können. Sie schien ihm wirklich sehr zu vertrauen, setzte alle Hoffnungen auf ihn, drängte ihren Geist ihm förmlich entgegen.
Nur gut, daß sie das selbst nicht wußte…
Es war ihr Unterbewußtsein, das ihm alle Türen zu ihrer Gedankenwelt öffnete…
Trotzdem gab er sich noch etwas reserviert.
»Und was soll ich nun Ihrer Meinung nach tun? Mit einer Maschinenpistole voller geweihter Silberkugeln im Magazin durch Exeters Straßen ziehen und auf alles ballern, was mehr Haare trägt als ein normaler Mensch? Warum hat sich Ihr Freund nicht an Scotland Yard gewandt?«
»Weil er auch der Polizei nicht mehr vertraut. Was würden Sie tun, wenn sich vor Ihren Augen ein Polizist in einen Wolfsmenschen verwandelt?«
»Nachschauen, ob seine Polizeimarke nicht doch eine Hundemarke ist.«
»Sie nehmen mich nicht ernst!« Cordona erhob sich. »Schade. Ich hatte gehofft, Sie könnten uns helfen. Ich hatte es wirklich gehofft. Aber selbst wenn Sie meine Geschichte nicht glauben wollen, ist das kein Grund, zu spotten.«
Zamorra stand ebenfalls auf.
»Ich sehe mir die Sache zumindest mal an«, versprach er.
Sie starrte ihn an.
»Jetzt spotten Sie schon wieder.«
Bedächtig schüttelte er den Kopf. »Nein. Ich muß nur noch ein paar Vorbereitungen treffen. Ich bin in…«, er sah auf die Uhr, »zwei oder drei Stunden wieder hier.«
»Ich weiß nicht, wann das nächste Flugzeug geht…«
»Wir brauchen kein Flugzeug«, sagte Zamorra. »Es gibt einen viel einfacheren Weg.«
»Um nach England zu kommen? Ach, vergessen Sie’s einfach.« Sie wandte sich ab.
Zamorra hielt sie am Arm fest.
»Vorhin dachten Sie, ich würde Ihre Geschichte nicht glauben. Jetzt glauben Sie mir nicht. Vertrauen Sie mir einfach. Geben Sie mir ein wenig Zeit. Es dauert wirklich nicht lange, und wir brauchen kein Flugzeug. Kann ich Sie für eine Weile sich selbst überlassen?«
»Ich werde mich schon gebührend langweilen«, sagte sie kühl.
Zamorra grinste jungenhaft.
»Schön«, sagte er. »Ich treffe Sie dann wieder hier.«
Sprach's und schritt davon.
***
Nicht ganz eine Dreiviertelstunde später schüttelte im Château Montagne Zamorras Gefährtin Nicole Duval den Kopf.
»Wegen dieser verrückten Geschichte willst du nach England? Was ist mit Eva?«
Zamorra seufzte.
»Hier sind genug Leute, die sich um sie kümmern können, wenn wir zwei, drei Tage weg sind, und ich glaube nicht, daß wir länger brauchen werden, um ein paar Werwölfe zur Strecke zu bringen. Diese Menschen brauchen Hilfe, und ich will ihnen diese Hilfe gewähren. Du etwa nicht?«
Nicole schüttelte den Kopf. »Natürlich will ich ihnen helfen, aber wir haben hier auch noch ein bißchen zu tun«, protestierte sie. »Warum gibst du die Sache nicht einfach weiter? Gryf und Teri sind gerade in Wales, wenn ich richtig informiert bin, und sie können viel schneller vor Ort sein als wir.«
»Ich will es selbst erledigen. Cosima Cordona hat sich eine Menge Mühe gemacht, mich ausfindig zu machen.«
»Und deshalb willst du sie mit deinem persönlichen Einsatz für ihre Mühe belohnen.«
»Wenn du es unbedingt so ausdrücken willst, bitte«, sagte Zamorra. »Nebenbei ist es ohnehin wieder einmal an der Zeit, im Beaminster Cottage nach dem Rechten zu sehen. So ließe sich das eine mit dem anderen verbinden.«
»Und Eva?«
Er winkte ab. »Mach's nicht komplizierter, als es ist. Sie ist im Château gut aufgehoben. Außerdem braucht sie nicht vierundzwanzig Stunden am Tag ein Kindermädchen. Ich werde mir diese Werwölfe jedenfalls mal näher ansehen. Es ist schon recht ungewöhnlich, daß sie in solch großen Rudeln auftauchen und einzelne Menschen angreifen. Außerdem interessiert mich dieser Landarzt, der auf Grissom geschossen haben soll. Warum hat er das getan?«
»Du bist also wild und fest entschlossen, uns in dein Unglück zu stürzen«, sagte Nicole.
»Du kannst ja hierbleiben und Eva bemuttern.«
Sie funkelte ihn an. »Du brauchst mich nicht zu verspotten«, sagte sie verärgert. »Ich habe nicht vor, sie zu bemuttern. Aber ich
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