063 - Das Verrätertor
war tadellos nach der neuesten Mode gekleidet und von den Spitzen seiner Lackschuhe hin bis zum grauen Zylinder ein Bild äußerster Vornehmheit. Einen Augenblick war Dick sprachlos, dann aber mußte er lächeln und wollte vorbeigehen. Doch Graham hielt ihn an.
»Wenn es dir nicht zu unangenehm ist, dich mit einem früheren Sträfling sehen zu lassen, möchte ich ein paar Worte mit dir sprechen, Dick«, sagte er kühl.
»Das können wir gleich hier erledigen«, antwortete sein Bruder. »Aber wenn es sich um Geld handelt – «
Graham lächelte spöttisch. »Denkst du immer nur an Geld?« fragte er. »Nein, ich möchte mit dir über Diana reden.«
Das Lächeln verschwand von Dick Hallowells Zügen.
»Das ist ebenso zwecklos – «
»Sie möchte gern mit dir in gutem Einvernehmen stehen. Das ist alles«, sagte Graham. »Es hat keinen Zweck, dauernd auf dem Kriegsfuß miteinander zu leben. Kannst du denn nicht vergessen, daß sie jemand andern dir vorgezogen hat?«
»Wenn ich alles überdenke«, sagte Dick schnell, »so erinnere ich mich daran nur dankbar – es ist das einzige, wofür ich ihr zu danken habe.«
Er sah auf seine Uhr.
»Es tut mir leid, ich habe keine Zeit mehr, Graham. In fünf Minuten muß ich einen Freund treffen. Aber du kannst Diana von mir bestellen, daß ich ihr nichts nachtrage. Deine Rederei vom Kriegsfuß ist sehr überflüssig. Ich wünsche aber nicht, sie zu treffen, nicht weil ich ihretwegen unglücklich bin, sondern weil sie für Dinge eintritt, die ich verabscheue – und weil sie falsch ist. Verglichen damit ist es ja kaum der Rede wert, noch die Untreue zu erwähnen.«
Mit einem Kopfnicken ging er weiter. Graham blieb auf dem Bürgersteig stehen und sah ihm nach, wie er die Straße überquerte und in der Menge verschwand.
Diana erwartete Graham Hallowell in ihrem Empfangszimmer. Mit feinem weiblichem Instinkt fand sie bald heraus, daß die beiden Brüder sich getroffen hatten.
»Er war wie gewöhnlich unfehlbar wie Gott selbst«, sagte Graham aufgebracht, als er sich in einem Sessel niederließ und in seiner Tasche nach der Zigarettendose suchte. »Er hat dir vergeben, aber er wünscht, nicht mehr mit dir in Berührung zu kommen.«
»Was hattest du denn erwartet?«
»Ich dachte, es würde leichter sein, wenn wir wieder zusammenkämen, aber der Mensch ist hart wie Stein.«
Sie wippte unruhig mit einem Fuß hin und her und beobachtete ihn scharf.
»Du bist ein Mann«, sagte sie. »Hast du denn mit ihm über eine Unterstützung gesprochen?«
Graham Hallowell lachte rauh.
»Unterstützung? Was glaubst du wohl, was Dick dazu gesagt hätte! Diese Frage hat er gleich von vornherein abgeschnitten. Aber abgesehen davon werde ich viel Geld verdienen, ohne irgendwie Gefahr zu laufen, wenn Trayne mich wirklich für eine Sache braucht.«
Diana biß sich nachdenklich auf ihre Lippen.
»Was ist das für eine Sache?« fragte sie.
»Wie, zum Teufel, soll ich das wissen?« Er war aufgeregt. »Trayne sagt dir doch nicht durchs Telefon, was er von dir will. Ich habe noch nie mit ihm in Verbindung gestanden. Du vielleicht schon, Diana?«
Sie ging der Frage aus dem Weg.
»Er ist sehr freigebig«, gab sie zu, »und sehr gefährlich.«
»Warum gefährlich?« fragte er schnell.
»Ich glaube bestimmt, daß Leute wie er gefährlich sind«, sagte sie noch in Gedanken. »Die Arbeit, die ich einmal für ihn leisten sollte, war nicht sehr schwer, aber ich übersehe nun, daß sie für seine Pläne notwendig war. Es ist jetzt zwei Jahre her, da ersuchte er mich, Lord Firlingham zu einem seiner Spielklubs am Portland Place mitzunehmen. Ich hatte nur zu erwähnen, daß mir dort einige Leute bekannt seien. Wir sprachen auf dem Rückweg von der Oper dort vor. Firlingham verlor vierzigtausend Pfund beim Bakkarat in jener Nacht. Ich erfuhr es erst einige Tage später, denn als ich ihn verließ, gewann er dauernd. Die Vermutung, daß sie ihm Geld abgenommen hatten, kam mir erst, als ich zweitausend Pfund in Banknoten erhielt.«
»Zweitausend Pfund?« Er begann leise zu pfeifen. »Der Mann bezahlt wirklich gut.«
»Zuerst gefiel mir die Sache nicht«, sagte sie vergnügt, »aber Firlingham ist ein schrecklicher Kerl, einer der unangenehmsten Menschen, die ich je kennenlernte.«
Sie schaute auf die kleine Uhr, die auf dem Kamin stand.
»Wir müssen gehen.«
Graham schaute sie überrascht an. »Willst du auch zu Tiger?«
Sie nickte.
»Ich bin von dritter Seite aufgefordert worden, dich zu
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