063 - Das Verrätertor
Mitteilung gemacht. Der weißhaarige Portier vermutete, daß Mr. Trayne vielleicht im Cafe Royale frühstückte. Graham schlenderte durch Piccadilly und hatte kaum an einem der Marmortische in dem langen Raum Platz genommen, als er Trayne eintreten sah, eine Zigarre zwischen den Zähnen. Nach einem kurzen Blick über das Lokal ging er gemächlich auf Hallowell zu. Graham sprach mit ihm über die Ereignisse des letzten Tages, und zu seiner Überraschung legte Tiger der Sache größeren Wert bei, als er angenommen hatte. »Worüber sprach Miss Martyn damals?«
»Ich weiß es nicht mehr«, sagte Graham. »Natürlich wird es ein Zufall gewesen sein, daß sie überhaupt in die Wohnung kam – «
Trayne schüttelte den Kopf.
»Mrs. Ollorby tut nichts zufällig!« sagte er. »Ich nehme den Hut ab vor dieser Frau! Wenn es ein Zufall war, warum gab sie dann vor, Stellenvermittlerin zu sein? Nein, das war kein Zufall. Sie kam mit Absicht, öffnete die Tür, weil ihr etwas verdächtig war. Was konnte ihr aber verdächtig erscheinen, da sie ja noch nicht wußte, daß ich Miss Martyn sprechen wollte?« Er zog gedankenvoll die Lippen durch die Zähne. »Vielleicht spürte sie gar nicht Ihrer Frau, sondern Ihnen nach«, sagte er. »Das ist beunruhigend.«
»Beunruhigt Sie das?« fragte Graham.
Ein vergnügtes Lächeln huschte über das markante Gesicht Traynes.
»Mich nicht«, sagte er fast fröhlich. »Ich kenne zufällig Mrs. Ollorbys Stellung in Scotland Yard.«
Er erzählte, daß die starke Frau einst Polizistin war und die offizielle Position bei dem Polizeipräsidium ihrem außerordentlichen Gedächtnis für Gesichter verdankte. Sie hatte ein Bild von Bert Howle gesehen, einem Mann, nach dem die Polizei ganz Europas fahndete, und hatte ihn nicht nur erkannt, sondern auch seine Verhaftung durchgeführt und ihn mit Hilfe eines Polizisten auf die Wache gebracht.
»Sie führt eine Art Vagabundenleben, in Wirklichkeit deckt sie aber Verbrechen auf«, erklärte Tiger. »Ich habe niemals gehört, daß sie an einen besonderen Platz gestellt wurde. Ihr Geschäft besteht darin, Arbeit für ihre männlichen Kollegen zu schaffen. Und sie ist erfolgreich gewesen!«
Er zählte eine Reihe von Fällen auf, die die Frau aufgeklärt hatte, und Graham war überrascht.
»Sie ist offiziell Beamtin von Scotland Yard«, fuhr Tiger fort. »Aber Sie müssen nicht erschrecken, daß sie Ihnen ihre Aufmerksamkeit schenkt – die Tatsache, daß sie Sie beobachtet, bedeutet nicht, daß Sie bereits wegen irgendeines Verstoßes verdächtigt werden, sondern daß sie hofft, Sie verdächtigen zu können!«
Er gab keine weitere Auskunft über Mrs. Ollorby.
Graham erwartete nähere Einzelheiten über den großen Plan, und es schien, als würde das Gespräch da wieder aufgenommen, wo es gestern geendet hatte, als Tiger Trayne ihn fragte, ob er dem Agenten geschrieben hätte. Aber anscheinend hatte er nicht die Absicht, den Gegenstand weiter zu erörtern, denn er sprach dann von einem gemeinsamen Bekannten. Erst als Graham gezahlt und Trayne sich erhoben hatte, um zu gehen, kam er auf das Tower-Abenteuer zurück, und zwar in einer so indirekten und dunklen Art, daß Graham der Zusammenhang mit dem Plan erst klar wurde, als Tiger schon gegangen war.
»Vermutlich interessieren Sie sich wenig für Schiffahrt?« fragte er ganz beiläufig.
Graham schüttelte den Kopf.
»Haben Sie zufällig einmal die >Pretty Anne< gesehen oder von ihr gehört?«
»Nein«, erwiderte Graham. »Ist das ein Fischerboot?«
»Es ist kein Fischerboot.«
Trayne war sehr vorsichtig. Es war beinahe, als ob er ein Urteil zu fällen hätte, so sorgsam wählte er seine Worte aus.
»Die >Pretty Anne< ist ein Dampfer, aber nicht groß und auch gerade nicht unter Klasse A I in Lloyds Register eingetragen. – Wenn ich an Ihrer Stelle wäre, würde ich mich ein wenig mit der >Pretty Anne< beschäftigen und die Bekanntschaft mit ihrem Kapitän und ihrem Eigentümer suchen.« Er machte eine Pause. »Sein Name ist Eli Boß, und er ist kein – wie soll ich sagen kein gebildeter Mann! Sie werden ihn nicht im Marineklub treffen – sein Lieblingsaufenthalt ist, wie ich vermute, das Gasthaus >Drei Lustige Matrosen< in Limehouse.«
Graham hörte überrascht zu.
»Wünschen Sie, daß ich seine Bekanntschaft mache?« fragte er. Mr. Trayne lächelte.
»Ich wünsche, daß Sie tun, was Sie wollen. Ich bestehe wirklich nicht darauf, daß Sie das Landhaus nehmen, aber wenn Sie es tun, würde es
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