Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
063 - Das Verrätertor

063 - Das Verrätertor

Titel: 063 - Das Verrätertor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
Vom Netzwerk:
mit blitzartiger Geschicklichkeit, die einem Taschenspieler Ehre gemacht hätte, eine Karte heraus, und Hope Joyner las: »Mrs. Emily Ollorby, Zimmer 385, New Scotland Yard.« Sie sah überrascht auf ihren Besuch.
    »Eine Detektivin?« sagte sie. Mrs. Ollorbys Lächeln wurde breiter.
    »Ich habe eine Schwäche, mich selbst so zu nennen, Miss Joyner«, sagte sie heiter. »Wir dicken Frauen haben auch unsere romantischen Augenblicke. Aber ich bin eben Mrs. Ollorby, die ihr Leben damit verbringt, daß sie ihre Nase in anderer Leute Dinge steckt. Der Herr hat einige von uns schön und einige von uns nützlich geschaffen – jedesmal wenn ich mich selbst im Spiegel sehe, erkenne ich, wie nützlich ich sein muß! Armer Ollorby, er war ein Held. Dieser Mann hatte seine Fehler, aber er hatte sicherlich Mut. Vielleicht besaß auch er Sinn für Humor, obgleich ich das nie entdeckte, und das einzig Merkwürdige, was er jemals tat, war – daß er mich heiratete!«
    Mrs. Ollorby hatte eine dröhnende, lebhafte Stimme, und Hope mußte lächeln, als sie so in ihrer sprunghaften Art lospolterte.
    »Es ist seltsam, wie das Verbrechergemüt arbeitet«, fuhr sie fort. »Ich habe niemals einen schlechten Menschen in ernste Sorgen gebracht, wenn er nicht selbst meine Aufmerksamkeit auf sich lenkte. Ich bin mit allen Lebewesen auf dem Gutshof verglichen worden – ausgenommen mit den Küken – und vielleicht der Ente. Aber ich bin nicht empfindlich. Wenn ich das wäre, würde ich längst gestorben sein. Ich kenne Männer im Old Bailey, die sagten, daß sie lieber noch zehn Jahre länger sitzen als mich heiraten wollten – aber ich glaube, das ist Selbstironie.«
    Sie machte eine Pause, um Atem zu holen. Ihre glänzenden Augen blickten gut gelaunt auf Hope.
    »Und nun werden Sie neugierig sein, warum ich in Ihre schöne kleine Wohnung eingedrungen bin. Ich kam nicht her, um über mich selbst zu sprechen, Miss Joyner, sondern über Sie. Sie sind Mitglied dieses indischen Vereins, nicht wahr?«
    Hope schüttelte den Kopf.
    »Ich war es, aber ich bin ausgetreten.«
    »Oh!« Mrs. Ollorby, die so viele Dinge wußte, war diese Entwicklung anscheinend noch unbekannt. »So, so«, sagte sie. »Es ist klar, daß Sie keine Lust haben, mir über diesen Schwindel noch etwas zu sagen. Ist Mr. Hallett ein Freund von Ihnen?«
    Diese unerwartete Frage ließ Hope verstummen.
    »Ich habe ihn nur einmal getroffen«, antwortete sie. Dann sagte sie lächelnd: »Ist er ein hoffnungsloser Verbrecher?«
    Mrs. Ollorby schüttelte den Kopf.
    »Hallett ist nicht hoffnungslos«, sagte sie, »soweit ich das beurteilen kann. Aber er ist blind, und Blinde sind selten Verbrecher. Nein, ich interessiere mich nur ein wenig für ihn, aber ich interessiere mich für viele Leute. Zum Beispiel auch für den Fürsten von Kishlastan: er ist ein hübscher Junge.«
    »Ich finde ihn unausstehlich«, sagte Hope, und Mrs. Ollorby grinste wieder.
    »Miss Diana Martyn – ist sie eine Freundin von Ihnen?«
    »Nein«, sagte Hope kurz.
    »Hm!« Mrs. Ollorby legte den Finger ans Kinn. »Graham Hallowell – den werden Sie natürlich nicht kennen. Sie sind mit seinem Bruder bekannt, nicht wahr? Ein bildschöner Mensch. Ich sah ihn neulich am Tower. Lassen Sie mich einmal nachdenken…« Sie legte ihre Stirn in tiefe Falten. »Habe ich nicht auch Sie dort mit ihm gesehen?«
    »Das ist möglich«, sagte Hope ein wenig kühl.
    »Der Tower macht mich immer schwindlig«, sagte Mrs. Ollorby. »Gefrorene Geschichte! Gehen Sie oft dorthin, Miss Joyner?«
    Hope bot einen Stuhl an und setzte sich auch, nachdem die Detektivin Platz genommen hatte.
    »Nun, tun Sie bitte nicht so geheimnisvoll. Was wollen Sie mich eigentlich fragen? Wenn ich es Ihnen sagen kann, werde ich es natürlich tun. Rätselhafte Leute sind mir etwas Qualvolles.«
    »Mir auch«, sagte Mrs. Ollorby absolut nicht verlegen. »Ich will Ihnen sagen, warum ich gekommen bin, Miss Joyner.«
    Sie öffnete einen großen Lederbeutel, den sie unter dem Arm trug und der wie eine Mappe aussah. Sie suchte eine Weile, dann nahm sie ein kleines Stück Papier heraus, auf dem verschiedene Notizen standen.
    »Ich werde Ihnen eine peinliche Frage vorlegen, und Sie dürfen sagen, daß Sie das empörend finden. Und wenn Sie Ihre Glocke nehmen und Ihrer kleinen Flaumfeder befehlen, daß sie mich hinauswerfen soll, werde ich gar nicht überrascht sein.« Die Erwähnung Janets nötigte Hope ein Lächeln ab, aber sie war zu neugierig, um sich ablenken

Weitere Kostenlose Bücher