063 - Das Verrätertor
wenn nicht Tiger Ihnen von mir erzählt hätte. Ich sah Sie alle drei an dem Fenster und konnte Sie beobachten – und ich bin ein sehr guter Beobachter, wie ich schon sagte.«
»Bescheiden sind Sie nicht gerade.« Graham Hallowell hatte sich allmählich wieder erholt. »Uns macht Ihr Gerede wenig Spaß. Aber wenn Sie irgend etwas Geschäftliches hier erledigen wollen, dann sagen Sie uns das bitte. Wenn das nicht der Fall ist, dann wollen wir Sie gerne entschuldigen, wenn Sie jetzt gehen wollen.«
»Immer höflich«, murmelte Mrs. Ollorby. »Sie könnten beinahe der Fürst von Kishlastan sein, der niemals ein Tanzmädchen umbringt, wenn er nicht vorher den Turban abgenommen hat. Werden Sie eine lange Reise unternehmen, Mr. Hallowell?«
Graham stand vom Tisch auf und zeigte auf die Tür.
»Sie wünschen, daß ich gehen soll? Es tut mir leid, daß ich Sie gelangweilt habe – für gewöhnlich hält man mich für sehr unterhaltend. Hektor sagt, daß er mir stundenlang zuhören könnte, aber natürlich, er ist ja mein eigener Sohn. Guten Morgen, Mrs. Hallowell!«
Diana antwortete nicht auf diese kleine Höflichkeit.
»Guten Morgen, Mr. Graham Hallowell!«
Er machte die Tür schnell zu. Mrs. Ollorby ging mit langen Schritten den Gartenweg entlang und summte eine kleine Melodie vor sich hin, ein wohlgefälliges Lächeln lag auf ihrem Gesicht. Ein Fremder hätte sich einbilden können, daß sie gerade von einem sehr angenehmen Besuch käme. Graham und Diana beobachteten sie durch die geschlossenen Fensterläden, bis ihr alter Hut hinter der Hecke verschwand, dann sahen sie sich stumm an.
»Was weiß sie wirklich?« fragte Diana ruhig.
»Ich habe keine Ahnung. Sie weiß nicht viel, sonst wäre sie ausführlicher gewesen«, sagte er gedankenvoll. »Ihre Absicht war nicht, uns festzunehmen, sondern nur uns zu warnen.«
Diana nickte.
»Sie hat zwei oder drei lose Fäden, und sie versuchte, aus uns etwas herauszubekommen, um sie verbinden zu können. Kapitän Boß ist der Eigentümer des Schiffes. Dann hast du doch diese Frau letzte Nacht in East End gesehen. Natürlich hat sie auch telefoniert. Sicherlich, sie weiß nichts, Graham – sie vermutet nur, aber sie weiß nichts. Hast du nicht die ganze Zeit über beobachtet, wie sie wie ein Schießhund darauf wartete, daß du oder ich etwas ausplaudern sollten, das ihre Vermutungen bestätigen könnte?«
Es klopfte leise an der Tür, der Gärtner kam herein. Sein hageres Gesicht zuckte nervös.
»Ist sie fortgegangen?« fragte er heiser.
»Kennen Sie sie?« fragte Diana.
»Ich habe von ihr gehört.« Mawsey war nicht geneigt, sich selbst zu bezichtigen. »Ich kenne ihren Mann besser als sie. Er war Detektivsergeant in Scotland Yard. Er – «, der Mann zögerte, »er hat meine Frau beinahe ins Unglück gebracht, und sie war so unschuldig wie ein neugeborenes Kind.«
»Es scheint doch so, daß Sie ein- oder zweimal von ihr hereingelegt worden sind?«
»Nicht von ihr, von ihrem Mann«, verbesserte Mawsey.
»Stimmt das alles, was sie sagte?« Er nickte, als Diana ihn fragend ansah.
»O ja, ich bin im Gefängnis gewesen«, sagte er, ohne dabei verlegen zu werden. »Ich bin erstaunt, was sie alles weiß. Das Beobachten ist ihre Spezialität, davon haben Sie wohl gehört?
Aber die meisten hat sie nur ins Gefängnis gebracht, weil sie dumm genug waren, sich selbst zu verplappern, als sie sich das erstemal an sie heranmachte. Sie haben ihr doch hoffentlich nichts gesagt?« fragte er schnell. Als die beiden verneinten, fuhr er fort: »Ich dachte mir gleich, daß Sie das nicht tun würden. Diese alte Frau ist gefährlich wie Gift. Und vergessen Sie nicht, sie kann Dinge unternehmen, die kein männlicher Polizist wagen dürfte, ohne seinen Posten zu verlieren. Was hat sie denn alles gesagt? Ich muß es dem Direktor sagen, er wird gleich anrufen.«
So getreu wie möglich erzählte ihm Diana den Gang der Unterhaltung.
»Sie hat einiges richtig herausbekommen«, gab Mawsey zu. »Aber sie hat keine Ahnung von dem großen Plan. Sie hat nur gesehen, daß Sie sich mit Eli Boß getroffen haben, sie weiß, daß Sie den Direktor anriefen, und dann hat sie Vermutungen darüber angestellt.«
Der Gärtner trat zum Fenster und hielt Ausschau.
»Sie ist noch nicht fort«, sagte er mit leiser Stimme. »Ich möchte gern wissen, weshalb sie noch wartet?«
Mrs. Ollorby war quer über den Weg gegangen und stand unter einem großen, überhängenden Baum. Sie schaute auf das Haus zurück.
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