063 - Das Verrätertor
mir, Mrs. Ollorby, daß Sie auf die Elefantenjagd gegangen sind und eine Maus gefunden haben – Sie hatten eine falsche Fährte. Aber warum kommen Sie zu mir?«
Getreu ihren Grundsätzen gab Mrs. Ollorby keine direkte Antwort.
»Ich kam nicht vor sieben Uhr nach Hause, und dann schlief ich ein paar Stunden. Wenn ich dieses kurze Schläfchen nicht gemacht hätte, wäre ich fertig gewesen. Ich sehe wohl ein wenig derangiert aus?«
»Sie sehen bezaubernd aus«, sagte Trayne ironisch. Sie neigte den Kopf, um für das Kompliment zu danken.
»Als ich aufwachte, dachte ich nach und sagte mir – der arme Hektor schlief noch –, das beste, was ich tun kann, ist, Mr. Trayne zu besuchen und ihm die Sache zu erzählen, weil – weil ich zufälligerweise gewisse Dinge über ihn erfahren habe und ich sicher weiß, daß er Colley Warrington nicht leiden kann.«
»Colley Warrington?« Trayne drehte sich bei diesen Worten schnell um. »Was ist mit Colley Warrington?«
»Er war mit ihr zusammen.«
»Mit ihr? Mit wem?« Die Worte kamen jetzt wie Hammerschläge aus seinem Mund.
»Mit Miss Joyner.«
Sie dachte, seine Augen wären geschlossen, aber er betrachtete sie mit gespannter Aufmerksamkeit.
»Nun erzählen Sie mir die Geschichte von Anfang an. Sie folgten Colley Warrington und Miss Joyner – wohin?«
»Zu einem der kleinen Durchgänge in Upper Thames Street. Er hatte ein Motorboot dort, und er sagte, er wolle sie mitnehmen, um jemand zu treffen, der auf einer Jacht wartete.«
»Um welche Zeit war das?«
»Ungefähr um elf.«
»Sie fuhren stromabwärts, sagen Sie? – Ging die junge Dame freiwillig mit?«
»Sie stieg freiwillig in das Boot, obwohl ich glaube, daß sie lieber nicht mitgegangen wäre«, sagte Mrs. Ollorby.
Er hatte seine Zigarre ins Feuer geworfen. Sein Gesicht sah aus, als wäre es aus Stein gemeißelt.
»Sie fuhren stromab in einem Motorboot? Haben Sie niemand in dem Motorboot sprechen hören?«
»O ja, Mr. Trayne, es klang sehr nach der Stimme eines der Söhne von Eli Boß.«
Er nahm seine Uhr heraus und sah nach dem Zeiger. Sie dachte, es sei mechanisch, aber Tiger Trayne tat nie etwas mechanisch.
»Es kann auch keine eigenwillige Flucht gewesen sein«, fuhr Mrs. Ollorby fort, »denn die junge Dame liebt Dick Hallowell!«
»Dick Hallowell?« Schrecken und Ungläubigkeit lagen in seinem Ton. »Meinen Sie Sir Richard Hallowell, den Gardeoffizier?«
Sie nickte.
»Sie waren im Begriff zu heiraten, das habe ich so unter der Hand erfahren. Er wollte das Regiment verlassen, weil man nichts von ihren Eltern weiß – obwohl ich glaube, daß ich etwas darüber hätte erzählen können.« Sie sah Tiger Trayne aufmerksam an und neigte dabei ihren Kopf nach der Seite.
Er drückte einen Klingelknopf an der Wand.
»Ich danke Ihnen, Mrs. Ollorby. Sie sind eine ganz verteufelt kluge Frau, und ich will hoffen, daß Sie mich nicht ins Gefängnis bringen wollen. Nun sagen Sie mir die Wahrheit – warum kamen Sie? Warum haben Sie mir das alles erzählt?«
Mrs. Ollorby nagte an den Lippen.
»Ich bin eine Mutter – Sie verstehen – «
Er streckte seine Hand aus und drückte die ihre. Und obwohl sie eine starke Frau war, zuckte sie unter diesem Druck zusammen. Der Diener trat ins Zimmer.
»Meinen Wagen«, sagte Trayne. Ohne ein Wort an Mrs. Ollorby zu richten, ging er in sein Schlafzimmer.
Er zog eine Schublade auf, nahm seinen Revolver heraus, prüfte das Magazin und steckte ihn in seine Rocktasche, suchte noch drei Reservemagazine und verbarg sie sorgfältig in seiner Weste. Als er in die Halle trat, nahm er im Vorübergehen Mantel und Hut. Mrs. Ollorby stand im Eingang.
»Ich werde an Sie denken!« sagte er und war gegangen, bevor sie etwas erwidern konnte.
Der Wagen fuhr ihm allzu langsam durch die lebhaften Straßen der City. Er sprang ab, bevor er in der Nähe des geschlossenen Tores zum Tower hielt.
»Es tut mir sehr leid, Sir, Sie können nicht hereinkommen«, sagte der Polizist an der Tür. »Der Tower ist heute für Besucher geschlossen.«
»Ich habe eine sehr wichtige Mitteilung für Sir Richard Hallowell«, sagte Trayne. »Ich muß ihn unbedingt sehen.«
Der Polizist rief einen anderen, der ihn zu dem ersten bewachten Tor brachte.
»Sie können ihn mit hineinnehmen«, sagte der Sergeant, »aber er muß geradewegs zu der Wohnung Sir Richard Hallowells gehen und darf mit niemand sprechen.«
Die Gründe für diese Vorsichtsmaßregeln waren Tiger kein Geheimnis. Er warf kaum einen Blick
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