063 - Die linke Hand des Satans
Greifbewegungen, wie um ihre Kraft zu erproben. Dann zogen sie sich etwas zurück - wie Raubtiere, die für die nötige Distanz zu ihrem Opfer sorgten, um es besser anspringen zu können. Jetzt lauerten die Hände. Die Finger zuckten vor Erregung.
Jetzt!
Dorian zückte das Messer , und sprang. Er vermeinte zu schreien, hörte jedoch keinen Laut. Sein verzerrtes Spiegelbild mit den hervorquellenden, Augen und dem weit aufgerissenen Mund sprang ihm von allen Seiten entgegen.
Dorian beförderte Tim Morton mit einem Fußtritt zur Seite. Die linke Hand griff ins Leere. Dorian packte sie, spürte, wie sie sich in seinem Griff wie eine Schlange wand. Er blickte nicht auf die Hand, als er das Messer nach unten stieß, um sie abzutrennen, er blickte dabei in die Spiegel. Dort war nur diese teuflische Hand zu sehen. Der Körper der Maria Ramos wurde überhaupt nicht reflektiert.
Es gab überhaupt keine Maria Ramos. Die magische Kraft der Hand hatte dem Opfer das Bild eines bemitleidenswerten, hilfsbedürftigen Mädchens nur vorgegaukelt.
Es war getan. Die Erscheinung der Maria Ramos hatte sich in Nichts aufgelöst. Nur noch die Alraunenhand war übriggeblieben. Diese linke Hand des Teufels, die Alraune ausgeschickt hatte, um damit Tim Morton zu töten.
Dorian war bereit, auch diese Hand - tödliches Werkzeug der Hexe Hekate - zu vernichten. Aber die Hand war flink. Sie befreite sich aus seinem Griff, sprang zu Boden, rannte auf wirbelnden Fingern davon, floh so schnell, daß das Auge kaum folgen konnte, aus dem Spiegelkabinett.
Es war zwecklos, die Verfolgung aufzunehmen. Sie war klein genug, um überall Unterschlupf zu finden, an Orten, wohin ihr ein Mensch nicht folgen konnte. Nur ein Puppenmann wie Donald Chapman hätte Chancen gehabt, ihr auf der Fährte zu bleiben. Doch war zu bezweifeln, daß Don den Kampf gegen sie hätte aufnehmen können.
Dorian entspannte sich. Er fand nun endgültig in die Gegenwart und in die Wirklichkeit zurück. „Was hast du getan?" fragte Tim Morton verständnislos. Er stand noch immer unter dem Bann der Alraunenhand. „Warum hast du Maria getötet, Dorian?"
„Es hat überhaupt keine Maria gegeben, Tim", sagte Dorian eindringlich. „Komm auf die Erde zurück! Der Himmel, in dem du geschwebt hast, war in Wirklichkeit die Hölle!"
„Aber die Hände... "
„Nur die eine Hand war echt", sagte Coco. „Und sie war dazu erschaffen worden, Sie zu töten, Tim."
Er wandte den Kopf, sah sie an und sagte: „Ich hätte alles angenommen, was diese Hände zu geben hatten - auch den Tod. Das versteht wohl keiner von euch."
„Doch, Tim", versicherte Coco. „wir können uns in Ihre Lage versetzen, und mir ist klar, daß es eine Weile dauern wird, bis Sie über den Verlust der Hände hinwegkommen. Aber eines Tages werden Sie Dorian dankbar sein, daß..."
Morton machte eine abwehrende Bewegung, stieß die Luft aus und warf Dorian einen vernichtenden Blick zu.
Dann ging er aus dem Spiegelkabinett.
Die anderen folgten ihm.
„Er wird schnell darüber hinwegkommen", behauptete Dorian.
Coco nickte. „Das meine ich auch. Zuerst muß ich ihn aber von der Theriak-Sucht heilen, was mir keine besonderen Schwierigkeiten bereiten sollte. Aber etwas anderes, Dorian - wie hast du die Wahrheit herausgefunden? Ich meine, du mußt längst gewußt haben, daß es Maria Ramos nicht wirklich gab, sondern daß nur die linke Hand an ihr echt war."
„Hekate selbst hat mir die Lösung des Problems gezeigt", antwortete Dorian. „Sie tat es, indem sie mich auf die Geschehnisse in der Vergangenheit hinwies."
„Aber warum tat sie es?"
„Sie glaubte, daß ich auch dann nicht die richtigen Maßnahmen ergreifen würde, wenn ich die Wahrheit erkannte. Aber da überschätzte sie sich."
Dorian ging schneller, um Tim Morton einzuholen. Eine Weile schritten sie schweigend nebeneinander her.
„Ich weiß, wie dir zumute sein muß, Tim", sagte der Dämonenkiller. Und als ihm der Freund einen spöttischen Blick zuwarf, fuhr er fort: „Wirklich, Tim. Als Georg Rudolf Speyer war ich zwar der Alraunenhand nicht verfallen, aber ich habe erfahren, daß sie selbst mit dem Tod Glückseligkeit geben konnte."
Vergangenheit
Faust hatte sich ein stilles und bescheidenes Begräbnis gewünscht, aber nicht einmal das war ihm gegönnt. Als die Totengräber den Schacht für seinen Sarg ausheben wollten, wurde die Friedhofserde auf einmal so hart, daß ihre Spaten zerbrachen. Daraufhin beschloß man, seinen Sarg in einen Schacht
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