0635 - Der achtarmige Tod
hervor, rannte Nicole förmlich nieder. Sie stürzte, verlor den Halt. Das andere strauchelte ebenfalls, griff im Fallen nach ihr.
Ein schriller Schrei, ähnlich dem Kreischen einer wütenden Katze, der jemand auf den Schwanz tritt, folgte. Etwas, das scharfe Krallen besaß, schlug nach Nicole und bekam sie zu fassen. Stoff riß; Krallen drangen nicht durch die Gewebelagen, konnten nicht verletzen.
Aber festhalten!
Die wilde Kreatur fauchte. Stinkender Atem schlug Nicole entgegen, die die Waffe verloren hatte. Sekundenlang geriet sie völlig durcheinander. Nach der Begegnung mit Hercule hatte sie nicht mehr mit dieser Attacke gerechnet. Für ein paar Augenblicke wußte sie nicht, was sie zuerst tun sollte - die Kreatur abzuwehren oder nach der am Boden liegenden Waffe greifen.
Dann tat sie beides zugleich.
Und schaffte es nicht.
Denn das seltsame Ungeheuer hatte die Zeit ebenfalls genutzt. Umschlang Nicole mit seinen Armen, kreischte sie fauchend an und verschwand mit ihr in einem rasenden schwarzen Wirbel, dessen grelleuchtendes Rot Nicole fast den Atem nahm. Doch das Rot war ein flammendes Blau, so gelb wie die Glut der Sonne…
Ich werde wahnsinnig! durchzuckte es sie. Das ist doch völlig unmöglich!
Aber nichts war unmöglich.
Nichts war alles, und alles war nichts, und sie war nicht mehr dort, wo sie eben noch gewesen war.
Wasser schäumte brennend heiß über sie hinweg und verbrühte sie mit eisigem Frost…
Und das Ungeheuer fauchte und kreischte nicht mehr, sondern lachte sie höhnisch an!
***
»Ich glaub's nicht«, murmelte Cristofero. »Die prügeln sich darum, wer mich… wer mit mir…« Fassungslos fuhr er herum. »Bist du wahnsinnig?« schrie er den Gnom an. »Was hast du getan? Du… du… du Monstrum!«
Aus weit aufgerissenen Augen starrte der Gnom ihn an und wich zurück. »Herr, ich habe doch nur versucht, uns… äh… Euch… äh… eine Fluchtmöglichkeit… wir müssen weg!« Er stieß es hervor und rannte bereits los, an Don Cristofero vorbei nach draußen ins helle Sonnenlicht.
Sein Herr folgte ihm.
Der Gnom war verwirrt. Mit einem solchen Ergebnis seines Zaubers hatte er nicht gerechnet. Er hatte doch nur Sympathie wecken und die Abneigung einschläfern wollen. Zuneigung ! Genau, das war es. Die hatte er erzeugen wollen. Wer jemanden mag, bringt ihn nicht um, hält ihn auch nicht gefangen!
Aber offenbar war dieser Liebeszauber doch falsch gewesen, oder seine Wirkung zu stark. Gestandene Männer waren plötzlich nur noch daran interessiert, sich an Don Cristofero heranzumachen und ihn auf ihr Lager zu schleppen!
»Neeeeeiiiiin!« brüllte der Don, zog den Degen und hielt die Indianer auf Abstand, indem er sich mit ausgestreckter Waffenhand ständig im Kreis drehte, während er hinter dem Gnom herlief. Ich bringe ihn um! dachte er. Ich schneide ihn in winzige Streifen, ich pökele ihn ein! Diesen Irren! Was hat er sich nur dabei gedacht?
Der Gnom dachte sich im Moment nur aus, wie sie beide am ehesten zu den Packtieren gelangen konnten. Die hatten die Indianer samt ihrer Last mit ins Lager gebracht, als sie Don Cristofero gefangengenommen hatten. Sie hatten die Tiere allerdings mittlerweile vom Packzeug und von den Sätteln befreit, auch das Pferd des Don.
Der Gnom wußte, daß keine Zeit blieb, sich um Sättel und Gepäck zu kümmern. Er hatte die Indianer zwar davon abgebracht, in ihnen Feinde oder Gefangene zu sehen, aber dafür hatten die Rothäute jetzt etwas ganz anderes mit ihnen vor…
Genauer gesagt, mit dem Don.
Sie erreichten die Pferde und Maultiere. Der Natchez, der die Tiere bewachen sollte, kam Don Cristofero strahlend und mit ausgebreiteten Armen entgegen.
Cristofero stieß ihn beiseite.
Der Natchez nahm's ihm nicht übel. Er sprang wieder auf und versuchte sich an Cristofero zu hängen. Dem hingegen war dieser Annäherungsversuch nun doch extrem zuwider, und beinahe hätte er den Indianer mit dem Degen aufgespießt. Im letzten Augenblick kam ihm der Gnom dazwischen, hieb dem Natchez beide Fäuste in die Kniekehlen und versetzte ihm dann, als er für den Gnom in der ›richtigen‹ Höhe war, einen Hieb gegen die Schläfe. Wie vom Blitz gefällt brach der Krieger zusammen.
»Ei der Daus!« entfuhr es Don Cristofero. »Ich wußte gar nicht, welch kämpferische Qualitäten Er besitzt. Wer hat Ihn dies gelehrt?«
»Ei der Daus, Gebieter, wir sollten machen, daß wir von hier wegkommen und diese Angelegenheit später erörtern - in ein paar Jahren
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