0635 - Der achtarmige Tod
Schmerz und Verlust eines Fangarms abschrecken lassen.
Nicole atmete tief durch.
Ihr blieb keine Zeit mehr, das Gitter so weit zu öffnen, daß sie hindurchgelangte. Sie mußte sich dem Monster stellen.
Sie richtete die Waffe dorthin, wo sie den Kraken den Geräuschen nach vermutete, und schoß.
Ein schrilles Kreischen erklang.
Sie hatte getroffen!
Aber das Kreischen dauerte an; das Biest war höchstens erneut verletzt worden und griff weiter an.
Gleichzeitig geschah noch etwas.
Der abgetrennte Fangarm, der vor dem Eisengitter auf dem Wasser trieb, erwachte zu neuem Eigenleben.
Er glitt auf den Sims zu und packte erneut nach Nicole, um sie an den Füßen ins Wasser zu zerren…!
***
»Kindsköpfe«, murmelte Eva. »Daß Männer aber auch nie den Ernst einer Situation begreifen! Was sollen diese Albernheiten? Das hier ist kein Spiel!«
Sie trat zwischen die beiden Streithähne, nahm deDigue das Gewehr und Don Cristofero den Degen aus der Hand. »Bevor ihr euch damit am Ende noch gegenseitig weh tut…«
Die beiden sahen sie verblüfft an.
Unterdessen hatte Zamorra mit einem schwach dosierten Laserstrahl einen Teil des Bodenbewuchses abgeflämmt. Nun ließ er die Waffe rasch wieder unter seiner Kleidung verschwinden und streckte die Hand aus. »Degen«, verlangte er.
»Hä?« machte Eva. »Möchten Euer Hochwohlgeboren Harakiri begehen?«
»Den Degen!« wiederholte Zamorra. »Ich brauch' den Pieksappa-rathier!«
Jetzt wandte sich deDigue ihm zu. »Schätze, ich kenne Euch, Monsieur«, sagte er. »Wart Ihr nicht vor einem Jahr auf Española, habt da diesem großmäuligen Fettwanst schon einmal geholfen?«
»Nennt mich noch einmal Fettwanst, und ich lasse mich auf Euch fallen!« fauchte Don Cristofero. »Dann seid Ihr verdammt platt!«
DeDigue winkte herablassend ab. »Damals hattet Ihr aber eine andere Begleiterin, deMontagne. Ihr scheint bezaubernde junge Damen sehr zu schätzen, wie mir scheint. Was habt Ihr hier zu suchen?«
»Die andere Begleiterin«, murmelte Zamorra.
Er hatte eigentlich geglaubt, auf das Abbrennen des Bodenbewuchses würden die anderen - mit Ausnahme von Eva - nachhaltiger reagieren. Aber gut, Cristofero und der Gnom wußten, welche technischen Möglichkeiten Zamorra besaß, Eva ebenfalls. Nur Hercule war schreckensstarr. DeDigue dagegen nahm es einfach so hin.
Er ging zu Eva und streckte die Hand nach seinem Vorderlader aus. »So sehr ich Euer energisches Auftreten bewundere,, verehrte Demoiselle, so ungern sehe ich meine Waffe in so zarter Hand. Wenn Ihr gestattet, nehme ich dies gefährliche Ding lieber wieder an mich. Darf ich zugleich um Erlaubnis bitten, mich Euch vorzustellen? Robert deDigue, stets zu Euren Diensten!« Er pflückte sich die Biberfellmütze vom Kopf und vollführte eine formvollendete höfische Verneigung.
Eva lächelte ihn kühl an. »Ich bedarf Eurer Dienste sicher nicht«, erklärte sie. »Ich werde Eva genannt, Monsieur deDigue.«
»Welch wunderbarer Name«, erklärte deDigue. »Er paßt zu Euch. Sollte es Euch an irgend etwas fehlen, wendet Euch vertrauensvoll an mich. Ich werde…«
»Hör auf mit dem Süßholzraspeln, Rob«, brummte Zamorra. »Die Dame kriegst du doch nicht auf die Matratze…«
Prompt schnappten - bis auf Eva, die schallend auflachte - alle nach Luft. Solch burschikose Redeweise war für sie mehr als ungewohnt.
DeDigue runzelte die Stirn.
»Ihr redet, als wären wir sehr vertraut miteinander, Monsieur«, sagte er finster. »Und ich glaube, wir haben uns auch früher schon einmal gesehen. Noch vor unserer Begegnung auf Española. Es muß allerdings sehr, sehr lange her sein. Eigentlich kann es gar nicht sein…«
»Es war im Jahre des Herrn 1538, am Grab Eures Urgroßvaters Romano, Monsieur deBlanc«, murmelte Zamorra so leise, daß die anderen es nicht verstehen konnten.
DeDigue wurde blaß. Er trat auf Zamorra zu, blieb direkt vor ihm stehen.
»Es ist sehr, sehr lange her«, flüsterte er. »Jetzt erkenne ich Euch wieder. Ihr wart der Mann mit dem seltsamen Schwert, in dem irgendein Zauber steckte, nicht wahr? Ihr habt Euch nicht verändert. Deshalb habe ich Euch nicht gleich wiedererkannt. Es konnte nicht sein, oder? Wer seid Ihr wirklich? Kein Dämon, das hätte ich gespürt!«
»Ein Freund«, erwiderte Zamorra. »Wir sind uns oft begegnet, und wir werden uns noch oft begegnen. Vielleicht wird einiges aus Eurem Gedächtnis schwinden über die lange Zeit.«
»Ich will nichts davon wissen«, sagte deDigue plötzlich
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