0638 - Geliebter Vampir
tastete sie nach ihrem Hals. Dort war von den Bißmalen nichts mehr zu sehen und zu fühlen; sie waren restlos verschwunden, verheilt.
Zamorra zuckte mit den Schultern. »Schade, daß du ihn nicht pfählen konntest. Dann hätten wir jetzt ein Problem weniger.«
»Wie wahr«, murmelte sie. »Aber das werde ich noch nachholen.«
Der Parapsychologe sah seine Gefährtin nachdenklich an. Er konnte fast körperlich spüren, daß mit ihr etwas nicht stimmte. Er führte es auf ihre Begegnung mit Morano zurück. Vermutlich hatte der Vampir sie ähnlich überrumpelt wie vorhin auf dem Korridor ihn, und sie war deshalb noch etwas durcheinander. Zumal sie bisher ja nicht hatte wahrhaben wollen, was Morano wirklich war.
Jemand klopfte draußen an.
Es klang für Zamorra, als sei Nicole über die Störung geradezu erleichtert; automatisch rief sie »Herein« und bemerkte erst, als der Besucher eintrat, daß sie immer noch keinen Faden am Leib trug. Sie tauchte im Schlafzimmer unter und zog die Tür hinter sich zu.
Der Besucher war Kommissar Rounald.
»Verzeihen Sie die Störung, Professor«, sagte er. »Er ist uns entwischt, und keiner kann sich erklären, wie er das hingekriegt hat. Aber wir sollten uns dennoch ein wenig über ihn unterhalten. Ihr geplantes tête-à-tête werden Sie bitte noch ein wenig verschieben.«
Nicole kehrte ins Zimmer zurück. Sie hatte sich nur hastig das neue Kleid übergestreift. Zamorra stellte die beiden einander vor.
»Sekretärin, natürlich«, lächelte Rounald dünnlippig. »Schade, ich habe wohl den falschen Beruf ergriffen. Von einer so hübschen Sekretärin kann ein kleiner Kommissar wie ich nur träumen. Aber was wissen Sie über Morano?«
»Daß er nicht für die blutleere Leiche vor dem Hotel verantwortlich sein kann«, sagte Zamorra. »Weil das timing nicht stimmt.«
***
Sarkana zog sich von seiner Beobachtungsposition zurück. Er hatte registriert, daß Morano das Hotel auf dem Luftweg verlassen hatte. Er existierte also noch, aber er hatte fliehen müssen. Von jetzt an würde er gejagt werden. Nicht nur von Zamorra, sondern auch von der Polizei. Er würde es schwer haben, sich irgendwo zu verbergen.
Aber noch war Sarkana nicht zufrieden. Er hatte sein Ziel noch nicht erreicht.
***
Der Kommissar hörte aufmerksam zu. Dann zuckte er mit den Schultern.
»Es gibt eine Menge Zeugen dafür, daß Morano da draußen war. Wir haben den Wagen sichergestellt und werden ihn untersuchen. Wenn sich auch nur eine einzige Textilfaser von der Kleidung der Toten im Fahrzeug findet, ist Morano erledigt, und Sie sind dran wegen Falschaussage. Möchten Sie Ihre Geschichte nicht doch noch ein wenig revidieren?«
»Keinesfalls«, sagte Nicole.
»Die Zeugen sind getäuscht worden«, sagte Zamorra.
»Aber natürlich. In Wirklichkeit war's ein kleines grünes Männchen vom Mars, nicht wahr?«
Zamorra erhob sich. »Sie haben bestimmt Wichtigeres zu tun, als sich Geschichten von kleinen grünen Marsmännchen anzuhören. Wenn Sie den Bentley untersucht haben, unterhalten wir uns weiter. Sorgen Sie aber dafür, daß Ihre Experten auch das richtige Auto untersuchen.«
Rounald nickte.
»Worauf Sie sich verlassen können, Professor.«
Er ging.
Endlich kam Zamorra dazu, Nicoles neues Kleid zu bewundern. Aber sie reagierte kaum darauf. »Was werden wir jetzt tun?« fragte sie.
»Ich weiß, wann und wo die Entführung stattfand, und ich weiß, wann und wo das Opfer tot aus dem Auto geworfen wurde. Also schaue ich mir die ganze Sache mal genau an.«
»Jetzt?«
»Besser jetzt als später. Noch liegt die Sache nicht sehr lange zurück, kostet also relativ wenig Kraft. Kommst du mit?«
»Selbstverständlich«, erklärte sie. »Warte, ich werde mir nur noch etwas anderes anziehen. Falls es Trubel gibt, möchte ich dieses dünne Fähnchen nicht gleich zerrissen sehen.«
Ein paar Minuten später kam sie mit der neuen Perücke, knappen Shorts und einer weiten Bluse aus dem Schlafzimmer zurück. Die Bluse verbarg die Waffe, die sie hinter den Bund der Shorts gesteckt hatte.
Sie verließen das Hotel, um sich mittels der Zeitschau um den Fall zu kümmern…
***
Der Einfachheit halber probierte Zamorra es gleich in Hotelnähe. Daß Passanten etwas verwundert herüberschauten, störte ihn nicht. Mochten sie sich über den Verrückten amüsieren, der hin und her ging und dabei krampfhaft auf eine handtellergroße Silberscheibe starrte.
Das auffällig verzierte Amulett wurde zu einer Art Mini-Bildschirm,
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