0638 - Geliebter Vampir
sagen.«
Hypnose schied aus, wußte Zamorra. Sie gehörten beide zu den Menschen, die gegen ihren Willen nicht zu hypnotisieren waren.
Er glaubte zu träumen. In all den Jahren waren sie einander treu gewesen, selbst bei den vertracktesten Versuchungen. Natürlich, sie schauten beide gern gutaussehenden Vertretern des jeweiligen anderen Geschlechts hinterher, genossen es, wilden Fantasien nachzujagen und spielten ihre Träume auch schon mal miteinander nach, indem sie in andere Rollen schlüpften. Aber in der Praxis war dies das erste Mal.
»Eine Premiere«, sagte Zamorra und lächelte feinsinnig. »Eigentlich müßten wir ja beide damit gerechnet haben.«
»Aber daß es ausgerechnet mir zuerst passiert? Zamorra, es tut mir leid… nein, das stimmt nicht einmal. Es tut mir nicht wirklich leid. Ich weiß nicht einmal, was ich empfinde. Ich muß den Verstand verloren haben.«
»Niemand verlangt, daß es dir leid tut«, sagte er. »Ich glaube, ich weiß ebensowenig, was ich jetzt denken, sagen oder fühlen soll. Ich glaube, ich bin nicht mal eifersüchtig. Wenn, Nici, dann sind wir beide verrückt.«
Er holte Luft.
»War er wenigstens schlechter als ich?«
Da flog ihr Kopf herum, aus großen Augen sah sie ihn an. »Was? Wieso…?«
»Ich verliere nicht gern«, sagte er. »Und noch weniger gern bleibe ich im Ungewissen, ob ich verloren oder gewonnen habe. Also, raus mit der Sprache, cherie.«
Sie schluckte.
Dann erhob sie sich langsam. Ihre Augen schienen dunkler zu werden.
»Da müßte ich erst noch eine Vergleichsprobe nehmen«, sagte sie heiser.
Zamorra griff blitzschnell zu, löste sich dabei von der Tischkante und riß Nicole an sich. Er küßte sie, wirbelte sie herum, und gemeinsam landeten sie auf dem Boden.
Wozu sollten sie erst in das Schlafzimmer wechseln?
Wild und voller Verlangen fielen sie übereinander her.
***
Roquette Burie fuhr verwirrt zusammen, als die Türklingel ansprach. Sie erwartete keinen Besuch. Wer konnte etwas von ihr wollen? Hatte ihr Chef jemanden geschickt, um nachzuschauen, warum sie nicht mehr zur allnächtlichen Arbeit erschien?
Siro Borga, ein düsterer Schatten im Hintergrund des Zimmers, rührte sich nicht. Nur in seinen Augen glühte es.
Das Klingeln wiederholte sich.
Noch zögerte die Studentin. Dann aber gab sie sich einen Ruck, ging zur Tür und öffnete vorsichtig.
Ein Mann und eine Frau, die sie noch nie gesehen hatte, standen draußen im Treppenhaus. Die Frau hielt Roquette eine Polizeimarke entgegen.
»Wir suchen einen Mann namens Siro Borga«, sagte sie. »Ist er bei Ihnen?«
»Ich verstehe nicht«, preßte Roquette hervor. »Wie kommen Sie darauf?«
»Er soll in diesem Haus wohnen. Die anderen Wohnungen haben wir durch. Sie sind die letzte. Dürfen wir uns umsehen?«
»Ich glaube, nein«, murmelte die Studentin verwirrt.
»Sie glauben, nein? Bitten Sie uns doch einfach herein. Wir möchten uns nur vergewissern, daß Monsieur Borga hier nicht zu finden ist.«
»Was wollen Sie denn von ihm?«
»Er ist also bei Ihnen«, sagte der Mann.
»Er hat ein Auto gemietet, das für eine Entführung und einen Mord benutzt wurde. Er gab diese Adresse an.«
»Entführung und Mord…«, murmelte Roquette tonlos. Ich werde sterben, aber ich werde dabei einem Mann, nach dem ich mich sehne wie nach niemandem sonst, obgleich ich ihn noch nie gesehen habe, ebenfalls den Tod bringen. Ich werde eine Mörderin sein.
Die Frau schob sich bereits an ihr vorbei in die Wohnung. Sie sah sich um; das kleine Dachapartment war sehr überschaubar. Die Polizistin ging zum offenen Fenster und sah hinaus, warf einen Blick nach unten. Dann kehrte sie zur Wohnungstür zurück, nachdem sie noch einen kurzen Blick ins Bad getan hatte.
»Er ist nicht hier«, sagte sie.
»Aber Sie kennen ihn, Mademoiselle…?« fragte der Mann.
»Ich… ja«, sagte Roquette schließlich. »Aber ich kenne ihn noch nicht lange. Seit gestern.«
»Wenn er sich wieder bei Ihnen sehen läßt, rufen Sie uns bitte sofort an«, verlangte die Frau. Sie drückte Roquette ein Kärtchen in die Hand. »Mord ist eine sehr ernste Sache. Das Opfer war ein Mädchen in Ihrem Alter. Sie könnten das nächste Opfer sein.«
Ich bin doch längst tot. Ihr wißt das nur nicht, dachte Roquette.
Die beiden gingen. Als Roquette die Tür schloß, hörte sie noch die beiden miteinander reden. »Wir sollten die Wohnung überwachen lassen. Mit dem Mädchen stimmt etwas nicht. Mir kommt's vor, als stünde sie unter
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