0638 - Geliebter Vampir
jetzt nicht mehr verlassen.
***
Im Schutz der Dunkelheit flog Morano sein Hotel an.
Auf normalem Weg wagte er es nicht mehr zu betreten. Er wollte jeden Ärger vermeiden. Wahrscheinlich war das Personal längst informiert, daß die Polizei ihn suchte.
Auch wenn er weit über diesen Dingen stand - es würde ein wenig Unruhe bringen. Und daran war er nicht interessiert. Morano schätzte das eher dezente Auftreten.
Er fand ein offenes Fenster, drang ein und lauschte. Er hatte Glück; der Bewohner des Zimmers befand sich im Bad. Morano kleidete sich hastig an, verließ das Zimmer und überließ es dem Hotelgast, darüber nachzugrübeln, warum die Tür, eigentlich verschlossen, jetzt unverriegelt war. Vielleicht würde er glauben, versehentlich nicht hinter sich abgeschlossen zu haben.
Der Vampir suchte seine eigene Etage auf. Seine Suite fand er polizeilich versiegelt. Aber das war es nicht, was ihn störte. Ein normales Siegel interessierte ihn nicht.
Aber er erkannte, daß die Tür mit Weißer Magie präpariert worden war.
Das war Zamorras Werk. Oder das seiner Gefährtin Nicole Duval.
Morano überlegte, ob er es riskieren sollte, die Barriere zu durchschlagen. Sie war nicht stark genug, um ihn wirklich fernzuhalten.
Aber dann entschied er sich dagegen. In der Suite befand sich nichts, was für ihn von wirklicher Bedeutung war, und er würde höchstens ein wenig von seinen Fähigkeiten verraten. Daran war ihm aber nicht gelegen.
Kurz lauschte er an Zamorras Tür. Er registrierte, daß Zamorra und Nicole sich miteinander unterhielten.
Diese Frau war dem Menschen also immer noch verfallen.
Er bedauerte das und entfernte sich. Irgendwo im Gebäude fand er ein Versteck, um den kommenden Tag zu überstehen. Nirgendwo war er derzeit sicherer als hier.
***
Zamorra überlegte ernsthaft, ob es Sinn hatte, eine Suche nach Morano oder Sarkana zu beginnen. Aber schließlich entschied er sich dagegen. Wahrscheinlich half ihm nicht einmal die Zeitschau weiter. Denn abgesehen davon, daß der Kraftaufwand mit jeder verstreichenden Stunde größer wurde, hörte es im gleichen Moment auf, in dem einer der Vampire sich durch die Luft weiterbewegte. Auf diesem Weg konnte Zamorra den Blutsaugern nicht folgen, auch nicht vom Boden aus, denn sie konnten sich durch die Luft außerhalb der Reichweite der Zeitschau bewegen.
Warum also sollte er sich die Mühe machen?
Wie es aussah, war ein Köder gelegt worden. Wenn Zamorra nicht anbiß, würde der eine oder der andere Vampir sich bestimmt von selbst wieder rühren.
Zamorra brauchte also nur abzuwarten.
Er konnte die Nacht für wesentlich interessantere Dinge nutzen. Zum Beispiel für die Beschäftigung mit seiner Gefährtin…
***
Am nächsten Vormittag erlebte Kommissar Rounald seine kleinen Überraschungen. Die Kollegen von der Spurensicherung hatten an und in dem Bentley aus der Hotelgarage nichts gefunden, was darauf hinwies, daß Chantal Dubois, das 22jährige Opfer, sich tatsächlich in diesem Wagen befunden hatte. Keine Kampfspuren, kein Blut, keine Textilfasern, nichts. Nicht einmal Reste von Reinigungsmitteln, mit denen vielleicht jemand versucht haben könnte, solche Spuren zu beseitigen.
Der Bentley war definitiv nicht das Tatfahrzeug, ganz gleich, wie viele Zeugen ihn erkannt haben wollten und bis ins Detail beschreiben konnten.
Das Tatfahrzeug war der Volvo 940.
Auf der Rückbank fanden sich genau die Spuren, die der Kommissar eigentlich im Bentley erwartet hatte.
Also konnte Tan Morano auch nicht der Täter sein, dieser mutmaßliche Psychopath, der sich für einen Vampirjäger oder für einen Vampir hielt. Es sei denn, er hätte nun wiederum den Volvo gemietet, aber das konnte sich Rounald nicht so recht vorstellen.
»Verdammt, woher hat dieser Zamorra das gewußt?« grübelte er und nahm sich vor, dem Parapsychologen noch einmal gründlich auf den Zahn zu fühlen.
Die Fahndung nach Tan Morano blieb vorerst bestehen; Rounald dachte nicht daran, nur aufgrund der gesicherten Spuren voreilige Entschlüsse zu fassen. Aber dieser Siro Borga, der den Volvo gemietet hatte und von dem es nur eine sehr vage Personenbeschreibung gab, die auf mindestens jeden fünften männlichen Einwohner von Paris paßte, rückte immer mehr ins Fadenkreuz von Gérard Rounalds Interesse.
Auch nach Borga wurde gesucht.
Aber der einzige Anhaltspunkt war die Studentin Burie und ihre Dachwohnung, die Borga dem Autovermieter als seine Adresse angegeben hatte, und Rounald nahm sich
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