064 - Der Frauenhexer
abends vor dem Kamin saßen, Handarbeiten machten und plauderten.
„Hinaus!“ brüllte Graf Bodo in höchstem Zorn, als er Signefeu sah. „Eher gebe ich dem Teufel selber meine Tochter zur Frau als dir. Laß dich nie wieder hier blicken, sonst bist du ein toter Mann.“
Signefeu sah den Grafen seltsam an.
„Ich hoffe, Ihr wißt, was Ihr da redet. Es könnte Euch leicht gereuen.“
Graf Bodo riß den Dolch aus dem Gürtel. Gilbert Signefeu erhob sich, warf den schwarzen Umhang über die Schultern. Ohne Eile ging er hinaus, schritt über den Hof zum Burgtor. Dort drehte er sich noch einmal um, wandte sich an den Grafen, der aus einem Fenster sah.
„Ich gehe, Graf Bodo, aber ich komme wieder.“
„Die Hunde!“ schrie der Graf. „Hetzt die Meute auf ihn!“
Er rannte hinunter in den Burghof, tobte und fluchte. Die Diener holten die Meute der Jagdhunde herbei. Graf Bodo stieg auf den Söller. Roxane folgte ihm, beschwor ihn, die Hunde nicht auf Signefeu zu hetzen.
Doch Graf Bodo ließ nicht mit sich reden.
„Los, laßt sie frei!“
Heulend und kläffend hetzte die Meute hinter dem großen, schwarzgekleideten Mann her, der auf den nahen Wald zuschritt. Wenige Meter vor dem Waldrand erreichten sie ihn.
Gilbert Signefeu konnte sich losreißen, wenn auch sein Umhang dabei in Fetzen ging und er tiefe Bißwunden davontrug. Er rannte in den Wald hinein, verschwand zwischen den Bäumen.
„Das nutzt ihm nichts. Die Hunde reißen ihn in Fetzen.“
Graf Bodo von Falkenfels irrte. Plötzlich stoben die Hunde aus dem Wald hervor, winselnd und mit eingezogenen Schwänzen. Dreißig hatten Gilbert Signefeu in den Wald verfolgt, nur fünfundzwanzig kamen zurück. Viele von ihnen hatten tiefe, blutende Wunden.
„Da will ich doch verdammt sein“, rief Graf Bodo. „Sollte doch etwas an dem Gemunkel der alten Weiber sein, daß der Kerl ein Hexer ist?“
Nachdenklich verließ der Graf den Söller. Er befahl einen seiner Bediensteten herbei, trug ihm auf, zum Galgenwirtshaus zu gehen und Gilbert Signefeu die Pacht aufzukündigen.
„Er hat Zeit bis zum Tagesanbruch morgen früh, mein Gebiet zu verlassen, sag ihm das. Treffe ich ihn dann noch hier an, kann er mit seinem Leben abschließen.“
Der Knecht des Grafen verließ das Schloß. Graf Bodo ging ins Hauptgebäude. Er fand seine Tochter in ihrer Kammer. Sie packte Kleider und Wäsche zusammen. Der graubärtige, stämmige Graf sah ihr eine Weile unbemerkt von der Tür her zu. Dann räusperte er sich.
Seine schöne Tochter, bis vor kurzem sein ganzer Stolz und seine ganze Freude, drehte sich um, bleich im Gesicht. Graf Bodo erriet, was sie beabsichtigte.
„Du willst zu ihm!“ grollte er. „Hast du denn gar keinen Stolz und keine Ehre im Leib? Wie eine Troßhure wirfst du dich ihm an den Hals.“
„Laß mich gehen, Vater. Bitte, laß mich gehen, bevor ein Unglück geschieht. Du kennst ihn nicht. Er ist furchtbar in seinem Zorn.“
„Das klingt ja, als hättest du Angst vor ihm. Roxane, Kind, ich bin dein Vater. Mir kannst du vertrauen.“ Als er seinem Liebling in die Augen sah, Roxanes Kummer und ihre Sorgen erkannte, schwand der Zorn des Grafen. „Erzähle mir alles, und fürchte dich nicht. Ich will dir helfen.“
Einen Augenblick wollte Roxane sich an die breite Brust des Grafen werfen, ihm alles gestehen. Doch ihre Zunge gehorchte ihr nicht, weigerte sich, Silben und Worte zu formen.
So blieb Roxane mit hängenden Armen vor dem Grafen stehen. Die Minute, in der sie sich ihm hätte anvertrauen können, verging ungenutzt.
„Du willst nicht reden? Auch gut. Du bleibst hier, Roxane, in deinem Zimmer. Ich werde dich bewachen lassen. Ich weiß, daß du manchmal nachts heimlich die Burg verlassen hast, doch das ist jetzt vorbei. Morgen schreibe ich deiner Tante, der Äbtissin. Du kannst dich auf ein halbes Jahr im Kloster einrichten, Roxane.“
Graf Bodo drehte sich um, schlug die Tür hinter sich zu. Schluchzend warf sich Roxane auf ihr Lager. Schreckliche Vorahnungen quälten sie. Gilbert Signefeu war nicht der Mann, Demütigungen hinzunehmen.
Am Abend dieses kalten Novembertages klopfte ein Spielmann an das Tor der Burg. Graf Bodo ließ ihm ausrichten, er solle sich zur Hölle scheren.
Der Spielmann lachte. Ungerührt nahm er die Fiedel vom Rücken, spielte eine wilde, aufpeitschende Melodie. Die Soldaten, die Knechte und das ganze Gesinde liefen im Burghof zusammen, lauschten den Klängen. Es waren Töne, wie sie noch keiner auf Burg Falkenfels
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