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0640 - Hexentränen

0640 - Hexentränen

Titel: 0640 - Hexentränen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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kommen nach Avalon«, sagte er erneut. »Wenn du nach Avalon willst, darf ich dich nicht am Leben lassen.«
    »Warte«, sagte sie. »Du weißt, was ich bin?«
    »Ich weiß es«, sagte der Drache. »Ich sehe es. Du bist eine Druidin vom Silbermond.«
    »So ist es«, erwiderte die Goldhaarige. »Du weißt auch, daß Silbermond-Druiden Lebensbäume besitzen, mit denen ihre Existenz untrennbar verbunden ist?«
    »Ich weiß es«, sagte der Drache.
    »Diese Lebensbäume wachsen in einem Hain auf dem Silbermond«, fuhr die Goldhaarige fort. »Wenn ein Silbermond-Druide stirbt, verdorrt sein Lebensbaum. Wenn dem Lebensbaum Schaden zugefügt wird, daß er abstirbt, stirbt auch der Druide.«
    »Es ist wie bei den Dryaden in Merlins Zauberwald«, sagte der Drache. »Sie leben mit ihren Bäumen und sind untrennbar miteinander verbunden. Du erzählst mir nur, was ich weiß. Erzähle mir etwas, das mir unbekannt ist.«
    Die Goldhaarige lächelte.
    »Ich bin eine Silbermond-Druidin, die keinen Lebensbaum besitzt.«
    »Dann bist du tot«, schlußfolgerte der Drache.
    »Nach deinen Maßstäben, und nach denen der Magie. Doch ich lebe. Ich wurde nicht auf dem Silbermond geboren.«
    »Dennoch müßte es dort einen Lebensbaum geben.«
    »Der Silbermond wurde zerstört. Er stürzte in seine entartete Sonne. Das System der Wunderwelten ging dahin. Der Hain der Lebensbäume existiert nicht mehr. Also bin ich tot, obgleich ich lebe.«
    »Das verstehe ich nicht«, sagte der Drache.
    »Ich verstehe es auch nicht«, gestand die Goldhaarige. »Aber es ist so geschehen. Bin ich tot? Gewährst du mir Zutritt zu Avalon?«
    »Du lebst. Ich sehe, daß du lebst. Ich sehe aber auch, daß es unmöglich ist ohne Lebensbaum. Also bist du tot.« Der Drache klappte das Maul wieder zu und verdrehte die Augen. »Warum soll ich mich damit belasten? Was ich nicht verstehe, kann ich nicht beurteilen. Tu, was du willst. Es wird richtig sein.«
    Er verschwand, der mächtige Wächter der Feeninsel. So, als habe er niemals existiert.
    Und vielleicht war dem auch so, vielleicht gab es ihn überhaupt nicht…?
    Und die goldhaarige Druidin stakte mit ihrem winzigen Boot weiter, ihrem Ziel entgegen…
    ***
    Baba Yaga rang um Atem. Sie hatte es geschafft, sie träumte nicht mehr, sie war dem Bann dieser eigenartigen Erinnerungen entflohen! Erinnerungen, die sie prüfen mußte, ob mit ihnen alles in Ordnung war und wie sie zusammenpaßten…
    »Nein!« schrie sie. »Nicht schon wieder, nein…«
    Um ein Haar wäre sie abermals in ihren Schlaf-Zustand zurückgeglitten!
    Da wußte sie, daß sie es nicht selbst geschafft hatte, aufzuwachen. Nicht aus eigener Kraft. Denn sie war immer noch auf eine seltsame Art müde. Alles in ihr drängte danach, wieder die Augen zu schließen, sich der einschmeichelnden Melodie hinzugeben und zu schlafen…
    Melodie?
    Da war keine Melodie. Hatte sie sich das Lied nur eingebildet, das sie zu vernehmen geglaubt hatte? Existierte es nur in ihrer Imagination?
    Wer hatte sie berührt, wer hatte sie geweckt?
    Ihr Ofen!
    Er hatte sie angestoßen, er hatte mit den Klauen seiner Beine nach ihr gepackt und sie wachgerüttelt. Er war ihr Retter.
    Irgendwie mußte dieses magiedurchwirkte Stück Gußeisen erkannt haben, wie schlecht es um seine Herrin stand, und war von sich aus aktiv geworden, um ihr zu helfen.
    Wie das möglich war, wollte Baba Yaga jetzt nicht ergründen. Vielleicht hing es zusammen mit den besonderen Gegebenheiten und Gesetzmäßigkeiten im Zauberwald.
    Normal war es jedenfalls nicht, aber sie nahm es dankbar hin. Ihr Ofen hatte sie gerettet.
    Immer noch drängte etwas sie, wieder einzuschlafen und weiterzuträumen. Aber allmählich brachte sie es fertig, dieses Drängen immer weiter von sich fernzuhalten. Ganz löschen konnte sie es nicht. Das würde ihr wohl erst gelingen, wenn der letzte Rest von Müdigkeit aus ihr geschwunden war - aber solange sie sich in diesem Wald aufhielt, konnte und durfte sie nicht schlafen, um sich zu erholen und neue Kraft zu schöpfen. Denn hier und jetzt würde das genaue Gegenteil eintreten.
    »Träume sind Schäume«, murmelte sie, und fühlte sich erschöpfter denn je.
    Sie kletterte auf den Ofen und ergriff die Zügel. Sie mußte fort von hier.
    Plötzlich kam ihr ein Gedanke.
    In Broceliande gab es etwas ganz Bestimmtes.
    Der Jungbrunnen…
    In ihm konnte sie ihre Kräfte erneuern, vielleicht endgültig und für alle Zeiten!
    War es das, warum Merlin sie hier nicht haben wollte?
    War es nicht

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