0641 - Grabgesang
daß sie noch lange nicht aufgegeben hatte.
»Einer muß ja schließlich auch mal an mich denken«, brummte Zamorra. »So gern ich selbst deinen Striptease sehen möchte, so wenig halte ich von der Sache. Das Risiko ist einfach zu groß. Nicht nur für mich, sondern auch für dich. Was, wenn sie sich gar nicht so einfach austricksen lassen, wie du hoffst, sondern ihrerseits dich austricksen, vergewaltigen, und uns hinterher doch beide zum Erschießungsplatz bringen?«
»Hm«, machte Nicole.
Einer der beiden Wächter trat an die Gittertür heran. »He«, rief er. »Was habt ihr da zu tuscheln? Redet gefälligst laut und deutlich, damit man euch auch versteht!«
»Ich habe eine andere Idee«, sagte Zamorra leise. »Lenk die beiden Knilche ruhig ab, laß dir aber Zeit dabei. Die brauche ich. Sie sollen nicht so schnell merken, daß ich weg bin.«
»Weg?«
»Weg«, raunte Zamorra. »Nun fang schon an.«
Er trat selbst in den Hintergrund der Zelle zurück und tat so, als müsse er sich irgendwie mit dem Eimer beschäftigen und habe damit in dieser Halböffentlichkeit ein Problem, das er erst lösen müsse. In Wirklichkeit hatte er etwas ganz anderes vor…
Unterdessen trat Nicole dicht an die Gittertür heran. »Was wollt ihr denn verstehen?« fragte sie mit dunkler Stimme. »Wollt ihr nicht vielleicht lieber etwas begreifen?«
»Was willst du damit sagen?« fragte der Soldat gierig, während Nicole begann, die Knöpfe ihres Hemdes ganz langsam und geziert zu öffnen.
Derweil begann Zamorra damit, seinen Plan in die Tat umzusetzen…
***
Eva stürmte vorwärts!
Sie griff die Männer an, die sich ihr so bedrohlich näherten. Damit hatten diese Seebären ganz bestimmt nicht gerechnet. Sie hatten geglaubt, mit einem, hilflosen, verängstigten Mädchen leichtes Spiel zu haben. Daß die blonde Schönheit jetzt auf sie zu lief, überraschte sie.
Am Gürtel eines der Männer hatte sie einen Säbel entdeckt. Das war natürlich eine wesentlich bessere Waffe mit größerer Reichweite als die Dolche, die die anderen bei sich trugen. Dieser Säbel war ihr Ziel. Ehe der korpulente, muskelbepackte Mann, der sie ein wenig an Don Cristofero erinnerte, überhaupt begriff, daß das vermeintlich hilflose Opfer den Spieß umgedreht hatte, sprang sie ihn bereits an, entriß ihm die Klinge und machte schon wieder einen Sprung rückwärts.
Jetzt war sie nur noch ein paar Schritte vom Achterkastell entfernt.
Sie hielt den Säbel schlagbereit. Streckte die Waffe den Männern entgegen. »Zurück«, rief sie. »Kommt mir nicht zu nahe!«
Einer der Matrosen lachte rauh.
»Gib Jorge den Zahnstocher zurück«, verlangte er, sichtlich amüsiert. »Du willst dir doch wohl nicht am Ende selbst damit weh tun, hübsches Kind? Das wäre doch schade. Du bringst dich nur selbst um den Genuß…«
»Was ihr Genuß nennt, darauf kann ich verzichten.« Sie bewegte den Säbel abwehrend vor sich hin und her. Ungeachtet dessen kamen die Männer jetzt noch näher. Es war klar: sie nahmen Eva nicht ernst. Sie hielten ihre Abwehr für einen Bluff, eine reine Drohgebärde, und rechneten damit, daß sie sich leicht entwaffnen lassen würde, wenn man ihr nur energisch genug entgegentrat.
»Zurück«, warnte sie. »Laßt mich in Ruhe. Ich sag's euch nicht noch einmal«, keuchte sie.
Wieder wurde gelacht. Einer, der besonders mutig war, trat gleich ein paar Schritte vor und streckte dabei die Hand aus. »Komm, gib die Waffe her, bevor ein Unglück geschieht!«
Sie schlug eine Finte nach ihm und zwang ihn damit, zurückzuweichen. Er fluchte und griff in einem Reflex nach seiner eigenen Waffe. Zwei andere taten es ihm nach, zogen ihre Dolche. Der erste griff an.
Er hatte keine Chance. Evas Säbel hatte die größere Reichweite. Der Dolch flog durch die Luft, segelte über die Reling ins Meer. Auf dem Unterarm des Mannes zeichnete sich ein langer roter Strich vom Handgelenk bis zum Ellenbogen ab, der rasch sehr breit wurde. Auch die Säbelklinge schimmerte jetzt rot!
»He, das Kätzchen zeigt ja tatsächlich die Krallen!« rief jemand lachend.
Der Angreifer starrte Eva entgeistert an, dann seine Armwunde. Er lachte nicht. Er sah den langen Schnitt, der zwar nicht tief ging, aber stark blutete, Und dann registrierte er endlich den Schmerz.
Wild brüllte er auf, aber nicht nur vor Schmerz, sondern auch vor Wut.
»Ich mach' dich fertig!« brüllte er. »Du verdammtes Luder!«
Blindlings stürmte er auf sie zu, ignorierte die Waffe völlig, die sie
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