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0641 - Grabgesang

0641 - Grabgesang

Titel: 0641 - Grabgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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abwehrend vor sich hielt. Sie wollte ihn nicht töten, sie wollte sich nur schützen, hielt den Säbel quer vor ihren Körper. Blindlings rammte der Mann dagegen. Er stieß Eva bis an die Holzwand des Achterkastells zurück.
    Noch lauter brüllte er jetzt, weil der Säbel ihm quer über die Brust eine weitere Wunde geschlagen hatte. Unwillkürlich riß Eva das Knie hoch. Der Mann krümmte sich zusammen und taumelte zur Seite, jetzt kaum noch in der Lage, mehr als ein verzweifeltes Keüchen von sich zu geben.
    Da endlich begriffen sie alle, daß Eva es ernst meinte!
    Jetzt zückten sie alle ihre Waffen, soweit sie darüber verfügten. Kurze und lange Dolche, einer von ihnen, vermutlich der Schiffszimmermann, trug sogar eine Axt bei sich.
    »Gib auf«, stieß er hervor. »Du hast jetzt genug Schaden angerichtet, Kätzchen. Jaime wird dich dafür in Stücke schneiden. Gib lieber gleich auf, dann kannst du vorher noch ein bißchen Spaß mit uns haben, ehe er dich tötet.«
    Spaß haben! So nannte dieser Lump das. Eva fror innerlich. Sie begriff nicht, warum Menschen so roh und zynisch sein konnten, so brutal. Und sie wußte, daß sie nicht zulassen würde, daß diese wilde Horde sie lebend in die Finger bekam. Wenn, dann würde sie sie dazu zwingen, sie im Kampf zu erschlagen - und dabei vorher noch versuchen, einige von ihnen mit in den Tod zu nehmen.
    Sie hatte keine Zeit mehr, sich Gedanken über das zu machen, was sie tat. Sie handelte automatisch, wie in einer Art Trance. Als die Männer auf sie eindrangen, riß sie den Säbel hoch und ließ ihn wie ein Schwert kreisen, obgleich er von Form und Gewichtsverteilung dafür doch überhaupt nicht geeignet war. Eva stieß einen wilden Kampfschrei aus. Für ein paar Sekunden nur schloß sie die Augen, sah plötzlich wieder den grauen Friedhof um sich herum und erkannte Inschriften auf den verwitterten Steinen.
    Als sie die Augen wieder aufriß, waren die Männer auf Sicherheitsabstand gegangen - zumindest die, die noch auf den Beinen standen. Und das waren längst nicht mehr alle.
    Entsetzt starrten sie Eva an.
    Die war nicht weniger erschrocken. Drei der Männer hockten oder lagen am Boden, bluteten aus mehr oder weniger tiefen Wunden. Und zwei waren offensichtlich tot.
    Was habe ich getan? dachte Eva erschauernd. Ich habe getötet… ich habe getötet…
    Wieder einmal…
    Sie hatte es nicht gewollt.
    Aber sie hatte es getan. Was spielte es für eine Rolle, daß sie sich nur gewehrt hatte? Sie hatte die Kontrolle über sich verloren. So wie damals, in Broceliande…
    Damals?
    Sie erinnerte sich…
    ***
    Merlin hatte sich zu ihr gesellt, Merlin, ihr Vater, der weise Magier von Avalon. Ringsum blühte und grünte der Zauberwald. Merlin berührte mit der Zärtlichkeit eines liebenden Vaters ihre Schultern, streichelte ihr langes blondes Haar. Sie hörte ihn sagen: »Ich möchte etwas von dir wissen. Seit wann ist dir bewußt, daß du anderen magischen Wesen gefährlich werden kannst?«
    »Noch nicht lange«, erwiderte Eva.
    Ihre Augen, die eben noch vor Freude geglänzt hatten, zeigten plötzlich Trauer, wurden feucht. »Ich konnte nichts dafür«, sagte sie. »Es ist einfach geschehen. Doe sagte eben: ›ln Broceliande tötet niemand einen anderen‹. Aber ich habe getötet. Ich wollte es nicht. Es war ein Troll. Er wollte…, er wollte mir Gewalt antun. Und dann war da etwas in mir, das ihm all seine Magie nahm. Er starb einfach. Merlin, ich wollte das nicht. Wirklich… ich will nicht töten. Ein Leben auszulöschen, das ist schlimm. Wie soll ich das jemals wieder gut machen? Wie kann ich es ausgleichen? Der Troll ist tot, es gibt ihn nicht mehr. Merlin… beginnt jetzt das Zeitalter der Zerstörung in Broceliande?«
    »Das Zeitalter der Zerstörung?« Merlin runzelte die Stirn. »Wie kommst du darauf? Es gibt kein Zeitalter der Zerstörung.«
    »Wirklich nicht?«
    »Wer sprach so zu dir?«
    »Ein Traum«, sagte sie leise. »Ein böser Traum vom Sterben. Aber ich will nicht sterben, und ich will niemanden töten. Dennoch ist es geschehen. Durch meine Para-Gabe.«
    »Du mußt lernen, sie zu kontrollieren. Dann kann das nicht wieder geschehen«, sagte er.
    »Das - das… nein, Merlin!« stieß sie erschrocken hervor. »Das kannst du nicht verlangen! Ich kann nicht damit arbeiten! Das geht über meine Kraft! Merlin… wenn ich beginne, mit dieser unheimlichen Gabe zu arbeiten, kann es während des Lernens wieder geschehen, daß ich jemanden töte! Aber das will ich doch

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