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0641 - Grabgesang

0641 - Grabgesang

Titel: 0641 - Grabgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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mich an Bordbrachte!«
    »Ihr solltet mir jetzt wirklich die Waffe geben. Sie ist nichts für Eure zarten Hände.«
    »Zwei Tote beweisen das Gegenteil.«
    »Ja«, dehnte er leise. »Eben deshalb.«
    Sie behielt den Säbel fest in der Hand. »Ich traue niemandem hier an Bord. Auch nicht Euch, Kapitän. Damit müssen wir beide leben. Wollt Ihr jetzt meine Frage beantworten?«
    »Welche Frage?«
    Da wußte sie endgültig, daß hier etwas nicht stimmte. Er schien die Frage nach dem Mann in Grau überhaupt nicht wahrzunehmen. Ihm war nur daran gelegen, sie zu entwaffnen.
    »Ich habe eine Idee«, sagte sie. »Wir gehen in Eure Kabine. Dort können wir uns in Ruhe unterhalten.«
    In seinen Augen blitzte es kurz auf.
    »Macht Euch keine falschen Gedanken, Kapitän«, sagte sie. »Glaubt nicht, Ihr könntet dort mit mir das tun, was Eure Mannschaft hier mit mir tun wollte.«
    »Deshalb behaltet Ihr den Säbel? Ich sagte doch schon, Ihr könnt mir vertrauen.«
    »Das sagtet Ihr. Können wir gehen?«
    Wortlos wandte der Kapitän sich um und stapfte davon.
    Wenigstens, dachte Eva beinahe erleichtert, entspricht er nicht den Klischees von Piraten mit Augenklappe, Holzbein und Eisenhaken anstelle einer Hand… und offenbar ist er jetzt beleidigt, weil ich ihm nicht vertrauen will. Aber wenn er ihr Mißtrauen nicht akzeptieren wollte, war das sein Problem.
    Ihr Problem war es, damit zu leben, daß sie getötet hatte. Wenn auch in Notwehr.
    Ob die Erinnerung, die eben ganz kurz durch ihr Bewußtsein flackerte, etwas damit zu tun hatte? In dem seltsamen Gespräch mit Merlin hatte sie selbst doch zugegeben, daß sie getötet hatte. Einen Troll in Merlins Zauberwald. Hatte sie sich mit diesem Töten nicht außerhalb aller Regeln gestellt?
    Und hatte Merlin ihr mit seinen Worten sagen wollen, daß das dennoch nichts Abnormales war, auch wenn es nicht zum Normalen gehören durfte?
    Sie brauchte Zeit, um darüber nachzudenken.
    Und auch darüber nachzudenken, wieso sie plötzlich diese Erinnerung erlebt hatte. Sie, die Frau ohne Erinnerungen!
    Der Kapitän ging voraus in seine Kajüte, die relativ groß und sehr komfortabel eingerichtet war; die Kammer, in der Eva erwacht war, war dagegen kaum mehr als ein Verschlag, in dem man allenfalls Gerümpel abstellte, falls man ihn nicht, ohnehin unbenutzt ließ.
    Dorthin wollte sie grundsätzlich nicht mehr.
    Statt dessen hatte sie vor, die Kapitänskajüte für sich zu requirieren. Dieser Joaquin Alcolaya hatte gefälligst Kavalier zu sein und sie seiner Passagierin zur Verfügung zu stellen. Das war der Grund, weshalb sie ihn aufgefordert hatte, das bisher recht einseitig verlaufende Gespräch hier fortzusetzen.
    Aber es kam ganz anders.
    In der Kapitänskajüte befand sich Niemand.
    ***
    Zunächst machte Zamorra sich unsichtbar.
    Es war keine wirkliche Unsichtbarkeit. Es war ein Trick, den er vor vielen Jahren einmal von einem tibetischen Mönch gelernt hatte. Er sorgte dafür, daß er von den anderen Menschen einfach nicht mehr wahrgenommen wurde. Es war eine Sache der individuellen, körpereigenen Aura. Er begrenzte sie auf die Ausdehnung seines Körpers, daß sie außerhalb nicht mehr registriert werden konnte. Wer ihn direkt ansah, würde ihn natürlich sehen, aber nicht erkennen, daß da wirklich jemand war. Und schon gar nicht, daß es sich um Zamorra handelte.
    Auf diese Weise konnte er sich mitten durch eine Menschenmenge bewegen, ohne auch nur von einem einzigen darin erkannt zu werden, überhaupt bemerkt zu werden. Es sei denn, sie berührten sich durch Zufall, und der andere bekam auf diese Weise unmittelbaren Kontakt mit Zamorras Aura. In diesem Fall würde er natürlich klar erkennen, wen er da vor sich hatte.
    Aber das war hier ja nicht zu befürchten.
    Es gab in der Zelle ja nur zwei Personen: Nicole und Zamorra.
    Und der wurde jetzt unsichtbar.
    Die beiden Soldaten draußen vor der Gittertür vermißten ihn nicht einmal. Abgesehen davon, daß sie sich, jetzt mehr dafür interessierten, daß Nicole ihr Leinenhemd zu öffnen begann, fiel Zamorra ihnen überhaupt nicht auf. Er existierte für ihre Wahrnehmung nicht mehr, verschwand einfach in einem diffusen Nichts.
    Wäre er wirklich ausgebrochen, vielleicht durch eine geheime Türöffnung - das hätten sie sicher bemerkt. So aber entzog er sich ihnen unauffällig.
    Sie bekamen nicht einmal mit, daß er den Zeitring am Finger drehte -man hatte ihnen ja nur die Waffen genommen, den Schmuck aber gelassen; vielleicht, um in dieser

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