0645 - Das Teufels-Denkmal
hoch. Er sah nicht einmal so aus wie der Mensch, der ihn produziert hatte. Körperliche Umrisse waren kaum vorhanden. Er glich vielmehr einem gestreckten Arm, der überall dort hinkam, wo er auch hinwollte. Es gab kein Hindernis für ihn.
Über die Gürtelschnalle glitt er hinweg. Suko hatte seinen Blick etwas gesenkt. Für ihn war der Schatten wichtig, nicht die beiden Männer, die ihn beobachteten.
Sein Herzschlag hatte sich gesteigert. Möglicherweise kam es ihm auch durch die Ruhe nur so vor, jedenfalls konzentrierte er sich allein auf den Schatten, der jetzt auf seiner Brust lag, nach wie vor eine gewisse Kälte ausströmte, sich dennoch veränderte, denn er wurde plötzlich schwer wie Blei.
Als würden Bleihände auf der Brust des Inspektors liegen, so merkte er den Druck, der sich wenig später verteilte, denn dem Schatten war es abermals gelungen, zu wandern und den Körper zu umklammern, obwohl dieser auf dem Rücken lag und sich zwischen ihm sowie dem Brett kaum noch Platz befand.
Er bildete einen Ring, und als Ring würde er zudrücken, seinem Opfer die Luft nehmen, es langsam und qualvoll ersticken.
Noch konnte Suko atmen. Er holte tief und unüberhörbar Luft, was wiederum van Akkeren nicht passte, denn er befürchtete, dass es sein Feind letztendlich noch schaffen konnte. Er dachte auch an die Verfolger.
»Geht es nicht schneller, Hoffmann?«
»Nein, es gibt die Regeln.«
»Verdammt, ich will ihn tot sehen.«
»Das kannst du, van Akkeren, keine Sorge. Das kannst du alles. Gib mir noch etwas Zeit!«
Suko hatte die Sekunden des Gesprächs genutzt. Noch einmal saugte er tief die Luft ein und merkte dann, wie sich der Druck verstärkte. Er wurde zu einer fürchterlichen Presse, die alles zermalmen wollte, was sich ihr in den Weg stellte.
Über das Gesicht des Inspektors lief ein Zucken. Diese Bewegung wurde von van Akkeren mit einem kurzen triumphalen Aufschrei begrüßt. »Ja, es ist so weit!«
Hoffmann richtete sich nickend auf. »Jetzt hat er keine Chance mehr, keine Chance…«
Beide wollten dem Tod und der anschließenden Wiederkehr des Chinesen zuschauen. Sie freuten sich darauf wie die kleinen Kinder. In ihren Augen lag ein nahezu perverser Glanz. Die Lippen zuckten, ohne dass sie etwas sagten, und tief aus der Kehle Vincent van Akkerens drang ein scharfes Zischen.
Suko kämpfte, obwohl er sich nicht bewegen konnte. Er versuchte, gegen den inneren Druck anzugehen. Er spannte sich, er wollte alles aufbrechen, doch er musste sich eingestehen, dass der Schatten zu stark war.
Er kannte kein Pardon. Er drückte weiter, war einfach grausam, presste die Knochen des Körpers zusammen und schickte dabei die Schmerzen durch Sukos Rippen. Der Inspektor hatte das Gefühl, als würden von verschiedenen Seiten Messer in seinen Oberkörper dringen, bis sie die Knochen erreichten und sie malträtierten.
Zum ersten Mal öffnete sich sein Mund. Die Lippen sprangen beinahe auf, er hatte sich die Blöße nicht geben wollen, aber er konnte nicht anders.
Suko stöhnte auf.
Dazwischen mischte sich ein kurzer Schrei, der die Decke erreichte und auch die Kerzenflammen tanzen ließ.
Van Akkeren hatte die Hände zu Fäusten geballt. Er stand dicht an der Schwelle zu einem wahnsinnigen Triumph, für ihn war das Leiden des Mannes ein Genuss.
Der Teufel persönlich konnte nicht schlimmer sein als dieser Mann, der in Hoffmann den richtigen Kumpan gefunden hatte, denn er sollte van Akkerens Killer werden, um die zu erledigen, die dem anderen im Weg standen.
Das waren vor allen Dingen die Templer, die nicht Abtrünnigen, die den geraden Weg gingen und nicht auf der Seite des Dämons Baphomet standen.
»Na, wie fühlst du dich, Chinese?«
Suko hatte nicht reden wollen, aber die Antwort musste einfach heraus. »Sei verflucht, Hundesohn!«
Van Akkeren lachte nur, bevor er Hoffmann fragte: »Wie lange noch? Wie lange gibst du ihm?«
»Er ist stark, er kämpft dagegen an. Er hat sich innerlich darauf eingestellt und auch einen Widerstand gefunden…«
»Wie lange noch?«
»Nicht einmal eine halbe Minute. So lange kann es ein Mensch nicht aushalten. Du weißt…« Er stoppte mitten im Satz. Nur Sukos Keuchen und Stöhnen war zu hören.
»Was hast du?« Van Akkeren gefiel nicht, wie sich Hoffmann bewegte. Er hatte sich zur Seite gedreht und strich über sein Gesicht.
»Da ist jemand!«
»Wo denn?«
»Der andere!«, schrie Hoffmann. »Ich spüre es. Das verdammte Kreuz. Es ist in der Nähe!«
»Und jetzt?«
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