0645 - Das Teufels-Denkmal
interviewte und dort auch zum ersten Mal mit Hoffmann Bekanntschaft gemacht hatte.
Ein glücklicher Zufall hatte Suko und mich wieder zusammengebracht, und jetzt steckten wir abermals in der Klemme. Es würde schwer werden, etwas gegen beide zu unternehmen, denn im Zug befanden sich zahlreiche Unschuldige.
Ich starrte aus dem Fenster und in eine Landschaft hinein, die eigentlich keine war, denn sie setzte sich aus grauen Fabrikgebäuden zusammen, anderen Mauern die Qualmwolken hochstiegen. Der Zug rollte in Richtung Dresden, wo Harry Stahl zusteigen wollte.
»Wo stecken die beiden?«, fragte Suko.
Ich drehte mich um. »Hat es Sinn, die Wagen zu durchsuchen?«
»Sie würden uns entdecken.«
»Richtig. Aber wir könnten einen Schaffner einschalten, ihm die Beschreibung geben und…«
Suko strahlte plötzlich. »Die Idee könnte von mir sein. Das machen wir, Alter.«
Dazu kam es noch nicht. Zuerst hörten wir die hellen Stimmen, dann sahen wir die Schulkinder in einer Schlange auf uns zukommen, weil in der Enge nicht genügend Platz für sie war.
Suko und ich drückten uns gegen die Tür und ließen die Kinder passieren, die ihre Taschen schleppten oder über den Boden schleiften und davon sprachen, dass sie in Dresden aussteigen wollten. Uns schauten sie an, stellten aber keine Fragen.
Wieder trat Ruhe ein, bis auf das Rumpeln der Wagen über die manchmal unebenen Gleise.
Als Suko mein betrübtes Gesicht sah, konnte er die Gedanken erraten. »Wahrscheinlich überlegst du, ob die Kinder mit den beiden Hundesöhnen zusammen in einem Abteil hocken.«
»Richtig.«
»Irgendwann müssen wir ja mal Glück haben.«
»Das hatten wir schon, sonst wärst du tot. Im Moment haben wir es ausgeschöpft.«
Suko hob die Schultern. Er schaute durch eine Scheibe in den Wagen, aus dem die Kinder gekommen waren. »Der Schaffner ist gleich hier«, meldete er. »Hoffentlich können wir auch nachlösen.«
»Dann zahlen wir eben mehr.«
»Und wenn er uns abführen will?«
»Mal sehen.«
Der Mann kam. Er sah gemütlich aus, hatte einen breiten Mund, der immer zu lächeln schien. »Die Fahrkarten bitte«, sagte er in seinem breitesten Sächsisch.
»Wir haben keine«, erklärte ich. Bevor er anfing, böse zu schauen, sprach ich rasch weiter. »Wir möchten nachlösen. Man hat uns gesagt, dass das geht.«
Er schob die Mütze zurück. »Weshalb haben Sie nicht…?«
»Wir entschlossen uns im letzten Augenblick zu einer Fahrt mit dem Zug. Widrige Umstände zwangen uns.«
»Gut.« Er nickte. »Wie weit wollen Sie fahren? Dresden oder…«
»Budapest.«
»Was?« Er legte eine Hand an sein Ohr, als hätte er nicht richtig gehört. »Sie wollen tatsächlich bis Budapest durchfahren und hier bei mir nachlösen?«
»Ist das so schlimm?«
»Nun ja, ins Ausland eigentlich nur am Schalter…«
»Wie viel kostet es?«
»Da muss ich erst mal rechnen.«
»Bitte.«
Seine Rechnerei dauerte ungefähr fünf Minuten, weil er noch einmal nachrechnete. Dann nickte er, nannte die Summe, und ich war froh, Westgeld bei mir zu haben.
»Okay.« Ich zählte die Summe ab und legte noch einen Schein drauf. »Der ist aber zu viel.«
»Für Sie.« Ich lächelte ihn entwaffnend an. »Sie könnten uns einen großen Gefallen erweisen.«
»Das ist Bestechung.«
»Nein, überhaupt nicht. Schließlich möchten wir, dass Sie dafür etwas tun.« Ich hielt ihm den Schein entgegen, er nahm ihn noch nicht, hob die Schultern und fragte vorsichtig an, was wir denn von ihm verlangten.
Das erklärten Suko und ich gemeinsam.
Der Schaffner nickte. »Sind das Terroristen der RAF?«
»Damit haben sie überhaupt nichts zu tun. Auch wenn Sie die Männer schon gesehen haben, können Sie den Schein trotzdem behalten.«
»Das habe ich noch nicht.«
»Sagen Sie uns dann Bescheid?«
»Werde ich machen.« Er ging, ohne den Schein zu nehmen.
Suko grinste mich an. »Du bist hier in Deutschland, John, nicht im Orient.«
»Das habe ich auch gemerkt.«
»Allerdings bin ich davon ausgegangen, dass in Deutschland die Züge schneller fahren«, sagte Suko. »Besonders dann, wenn es sich um einen Express handelt.«
Ich deutete nach draußen. »Hast du dir die Bahndämme und die Gleise mal angeschaut? Wenn nicht, lass es lieber sein. Hier kann man nur langsam fahren.«
»Davon hörte ich.«
Für uns begann die Warterei. Wir rollten durch viel Landschaft und Gegend. Durch Dörfer, an Weiden entlang und Hügeln. Mal schluckte uns ein Tunnel, und die Zeit verging quälend
Weitere Kostenlose Bücher