0646 - Der Templer-Jäger
die Tür zu.
Es waren nicht mehr als zwei Schritte, aber die Entfernung reichte dem Schatten.
Er schlug zu.
Urplötzlich war er über ihr. Er packte zu, umwickelte ihre Gestalt wie ein Tuch und bannte sie auf der Stelle. Er war einfach da, und er kannte keine Gnade.
Kiki hatte es geschafft, die Hand auf die Klinke zu legen, nur konnte sie diese nicht nach unten drücken, um die Tür aufzureißen. Der Schatten riss sie einfach wieder zurück.
Kiki taumelte in den Raum. Sie stolperte über den Rand einer Matratze, fiel hin, landete unglücklicherweise weich und blieb dort liegen, den Schatten als Mörder auf ihrem Körper.
Der Fremde trat gelassen näher. Er blieb dicht neben Kiki stehen und beobachtete aus kalten, wässrigen Augen den Todeskampf des Mädchens. Gnade kannte er nicht. Wichtig für ihn war allein, das große Ziel zu erreichen…
***
Der Rauch eines Zigarillos durchzog die Wärme des Dachzimmers und veränderte den üblichen Geruch. Hoffmann rauchte gelassen. Er hatte sich auf eine Matratze gesetzt, den Blick dabei auf Kiki gerichtet, die tot war und ihren starren Blick gegen die schmutzige Decke gerichtet hielt.
Nichts bewegte sich mehr an ihr. Der Schatten hatte sie so lange malträtiert, bis kein Leben mehr in ihr steckte.
Und wie ging es weiter?
Hoffmann hatte seine Pläne gemacht. Er hoffte, sie auch erfüllen zu können und nicht von anderen gestört zu werden. Kiki würde ihn durch Paris führen und ihm die Stätten zeigen, die für ihn wichtig waren.
Hoffmann wollte nur nicht gestört werden. Das allein zählte. Wenn jetzt die anderen zurückkehrten, wäre das zwar auch kein Beinbruch gewesen, der Schatten kam auch gegen eine Übermacht an, aber er hätte Aufsehen erregt, was ihm nicht passte. Paris und auch die Polizei sollten nicht zu früh von ihm erfahren. Die Sache in der Metro war schon nicht so gelaufen, wie er es sich vorgestellt hatte.
Die Hutkrempe hatte er um eine Idee nach oben gedrückt. Sein Gesicht war besser zu sehen.
Irgendwie wirkte die Haut bei ihm schmutzig, aber er gehörte gleichzeitig zu den Menschentypen, die man sah, jedoch rasch wieder vergaß. Nur seine Kleidung erschien ihm zu auffällig. Er war noch nicht dazu gekommen, sie zu wechseln.
Mit der Zungenspitze leckte er über die trockenen Lippen. Noch lag Kiki leblos auf der Matratze.
Aus Erfahrung jedoch konnte er sagen, dass sich das bald ändern würde.
Noch zwei Minuten vergingen, dann erwachte das Mädchen. Zuerst zuckte seine rechte Hand. Dabei bewegten sich die Finger und kratzten über die Matratze.
Hoffmann drückte sein Zigarillo aus. Dass er einen Brandfleck auf dem Boden hinterließ, störte ihn wenig, diese Bude taugte sowieso nichts.
Er bewegte seine Augenbrauen und schaute starr die Tote an. »Na, komm schon«, flüsterte er, »lass dir nicht zu viel Zeit. Komm schon in die Höhe. Bitte, schnell…«
Als hätte die lebende Leiche die Worte ihres Mentors verstanden, so drückte sie ihren Oberkörper ruckartig hoch und blieb in einer sitzenden Stellung.
Hoffmann lächelte, bevor er leise ihren Namen rief.
Kiki hörte ihn. Noch immer sitzend, drehte sie den Kopf so weit wie möglich.
Er lächelte sie an. »Komm, mein Täubchen, steh auf!«
Kiki gehorchte. Sie hatte die Stimme des Mannes gehört, und sie war für sie wie ein Motor.
Sie musste ihr folgen!
Bevor sie sich hinstellte, drückte sie ihren Körper noch zur Seite, dann stützte sie sich ab, stand schwerfällig auf, blieb auf den Beinen, schwankte aber.
»Gleich wirst du dich besser fühlen!«, flüsterte Hoffmann. Er, konnte seiner Stimme sogar einen zärtlichen Klang geben. Mit vorgestreckten Händen ging er auf sie zu. Dann streichelte er ihre Wangen.
Kalt fühlten sie sich an. Ein anderer wäre erschaudert, nicht so dieser Mann aus Leipzig. Für ihn war Kiki jetzt eine Tochter, die alles für ihn tun würde.
Sie hatte den Blick einer Toten. Kein Leben schimmerte in ihren Pupillen. Als glasige Kreise malten sie sich ab. Der Mund stand offen, über die blassen Lippen drangen unheimlich klingende Laute.
Er ließ seine Hände wieder sinken. »Keine Sorge, mein Täubchen, du wirst deine Chance bekommen. Aber zuvor führst du mich durch Paris. Du wirst mir die Ziele zeigen, die ich sehen will. Hast du verstanden, Kiki? Hast du mich verstanden?«
Sie schaute ihn an und nickte.
»Dann komm.« Er nahm ihre Hand und schritt auf die Tür zu. Hinter sich hörte er die vorsichtig gesetzten Schritte der lebenden Leiche, und er
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