0647 - Die Haut des Vampirs
Mijnheer. Für Tiere können Sie keinen Fahrschein lösen. Tiere sind Gepäck. Und Gepäck wird auf dem Dach befördert.«
Fooly brauste auf. »Ich soll ein Gepäckstück sein?«
Der Fahrer ging nicht darauf ein. »Die anderen Passagiere transportieren ja ihre Ferkel und Ziegen auch auf dem Dach, wie Sie vielleicht bemerkt haben.«
Zamorra biß die Zähne zusammen. Der Mann war offensichtlich von seiner Einstellung her ein Beamter. Ein Beamter, der seine Vorschriften hatte. Also mußte er ihn mit seinen eigenen Waffen schlagen.
»Was für ein Tier ist das hier Ihrer Meinung nach?«
»Ein Drache«, erwiderte der Fahrer mit der größten Selbstverständlichkeit.
»Ein sprechender Drache«, trumpfte Zamorra auf.
»Ein sprechender Drache«, bestätigte der Mann hinter dem Lenkrad.
»Gibt es sprechende Drachen?« fragte der Professor listig.
»Natürlich nicht!« Der Fahrer klang entrüstet. Wie konnte jemand so etwas ernsthaft behaupten?
»Also«, entfaltete Zamorra die Beamtenlogik, »ist ein sprechender Drache ein Tier, das es nicht gibt. Folglich ist mein Reisegefährte kein Tier. Deshalb muß ich ihn auch nicht auf dem Dach befördern, sondern im Bus selbst.«
»Selbstverständlich, Mijnheer.« Das verstand der Busfahrer. Er händigte Zamorra die drei Tickets aus. Zwei für Erwachsene und eine ermäßigte Kinderfahrkarte für Fooly.
Der Professor und Nicole fanden im hinteren Drittel des Fahrzeugs noch zwei Plätze nebeneinander. Fooly mußte sowieso auf dem Gang stehen bleiben, rechts und links von den Sitzen eingezwängt. Der drachengerechte Bussitz wartete noch darauf, konstruiert zu werden.
»Gepäckstück!« grollte der Jungdrache und gab sich alle Mühe, eine zornige Flammenlohe aus seinem Maul zu unterdrücken. »Diese Drachendiskriminierung schreit wirklich zum Himmel!«
»Ob am Schreibtisch oder hinterm Lenkrad - Erbsenzähler dieser Art sind überall auf der Welt gleich«, tröstete ihn Nicole. »Was nicht in ihre Vorschriften paßt, existiert nicht.«
Eine halbe Stunde später setzte sich der alte Ziehharmonika-Bus ächzend in Bewegung.
Keiner der Insassen ahnte, was für eine Höllenfahrt es werden würde…
***
»Was für ein Leichtsinn!«
Rob Tendyke zeigte kein Verständnis für Uschis nächtliches Abenteuer, von dem sie beim Frühstück berichtet hatte.
»Wenigstens wissen wir jetzt, daß Monica und ich keine Angst vor den Asemas zu haben brauchen«, gab der Blondschopf achselzuckend zurück. Doch auch ihrem Zwilling war an-Zusehen, daß sie im nachhinein um ihre Schwester bangte.
»Immerhin, bitteres Blut scheint auch gegen Stechinsekten zu helfen«, bemerkte sie nebenher mit einem Blick auf diverse gerötete Einstiche, die Rob trotz des Moskitonetzes davongetragen hatte, während sie und Uschi von den summenden Plagegeistern verschont geblieben waren.
Tendyke schlug sich mit der flachen Hand vor den Kopf. »Okay, die Asemas werden euer Blut nicht trinken! Aber sie können euch trotzdem töten, wenn ihr ihnen in die Quere kommt! Das solltet ihr begreifen! Uschi, du hast diese Nacht unglaubliches Glück gehabt…«
In diesem Moment betrat der Schamane Ben die Hütte. Marijke und ihre Eltern begrüßten ihn ehrerbietig. Er setzte sich mit an den Eßtisch und bekam sofort einen Tee serviert.
»Ich habe heute nacht die Geister befragt«, begann er. An diesem Morgen war er etwas ernster und verschlossener als am Vorabend. Aber der Schalk schien ihm immer noch im Nacken zu sitzen. Das erkannte man an den unzähligen Lachfältchen um seine Augen herum.
»Und was sagen sie?« Tendyke hatte diese Frage gestellt.
»Ich weiß jetzt mehr über die Bedrohung, die auf uns zukommt. Die Asemas sind nicht mehr allein. Es sind einige starke Wesen aufgetaucht, die unsere Dschungelvampire als willenlose Werkzeuge benutzen.«
»Was für Wesen sind das?«
»Wenn ich das wüßte! Sie scheinen nicht von dieser Welt zu sein. Und sie können jede Gestalt annehmen…«
»Die MÄCHTIGEN!« entfuhr es Uschi.
Ben wiegte den Kopf. Er schien gehofft zu haben, daß die drei noch mehr Informationen hatten.
»Viel ist es auch nicht, was wir über die MÄCHTIGEN wissen«, erklärte Rob. »Aber sie haben zur Zeit keinen Stützpunkt auf der Erde. Sie sind eine dämonische Rasse, die aus den Tiefen des Universums kommt.«
Der Schamane legte seine Stirn in Falten. »Das klingt für mich, als ob sie sich mit Hilfe der Asemas hier bei uns breitmachen wollen.«
Totenstille herrschte, nachdem er diese Sätze
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