0647 - Hexenzauber
Sonnenstrahlen flackerten durch das Grün hindurch.
Es sah aus wie Blitzlichtgewitter.
Wenn uns ein Fahrzeug entgegenkam, sah es jedes Mal aus, als würde jemand in die Ferien fahren.
So gemütlich rollte es an uns vorbei. Suko hatte das Radio angestellt. Nachrichten und Musik wechselten sich ab. Wir hörten nur mit einem Ohr hin. Viel wurde über das Ausland berichtet, und da über Deutschland, wo sich ja einiges tat, was auch wir brandheiß mitbekommen hatten.
Mit halbem Ohr hörten wir zu, ohne Kommentare abzugeben. Die allerdings drangen sehr bald aus Sukos Mund, als er das Rauschen im Radio hörte, das einfach nicht verschwinden wollte.
»Hol mal einen anderen Sender, Suko. Es muss an der komischen Gewitterluft liegen.«
»Kann sein.« Mein Freund drückte auf die Suchlauftaste. Jetzt musste sich automatisch ein besser zu empfangender Sender einstellen. Das jedoch passierte nicht.
»Mist.«
»Die Tücke der Technik«, grinste ich. »Schalte das Ding aus.«
Das wollte Suko auch, aber er zuckte mit der Hand zurück, obwohl er den kleinen Apparat noch nicht berührt hatte, denn aus ihm hervor schoss eine fingerlange Stichflamme, begleitet von einem gelblichen Funkenregen.
Als Sukos Fluch aufklang, trat ich auf die Bremse. Das Pflaster war trocken, die Reifen rutschten nicht, und wir beide starrten auf die verkohlte, zusammengeschrumpfte Masse, die einmal ein Radio gewesen war. Jetzt konnten wir davon nicht mehr viel sehen. Nur noch riechen, denn der Rauch drang stinkend in unsere Nasen.
»War das auch ein Geist?«, fragte Suko.
»Ich denke schon.«
Irgendwo zwitscherten Vögel. Sie machten die Stille erträglich, sie berichteten davon, dass wir uns noch in der normalen Welt befanden und von der anderen Seite nur überrascht worden waren, die aus dem Unsichtbaren zuschlagen konnte.
Kein Fahrtwind traf uns mehr. Wir schwitzten wieder. In der Nähe wühlte sich das stinkende Wasser der Themse dem Meer entgegen. Und in der Luft lag ein Gewitter.
»Bleiben wir sitzen? Steigen wir aus?« Ich hob die Schultern. »Wir können auch weiterfahren.«
»Ohne den Geist entdeckt zu haben?«
»Wenn der was von uns will, kann er sich zeigen.« Ich berührte den Zündschlüssel, um ihn zu drehen. Das schaffte ich auch, aber der Motor spielte nicht mehr mit.
»Verdammt, abgesoffen!«
»Glaubst du das?«
Natürlich hatte Suko wieder an den Geist gedacht. Ich wollte ihm auch eine entsprechende Antwort geben, als wir beide diesen kalten Hauch spürten, der zwischen uns herstreifte und den eisigen Schauer an unseren Wangen hinterließ. Nur war es eine andere Kälte, wie wir sie eigentlich kannten. Diese Kälte hier stammte nicht von dieser Welt. Sie war woanders geboren, in den Dimensionen des Schreckens möglicherweise, und sie stand unter der Kontrolle des Bösen.
Sie hielt sich hinter uns auf. Weder Suko noch ich schauten uns um, weil wir uns auf irgendeine Art und Weise gelähmt fühlten. Hatte sie sich vielleicht als Wand materialisiert oder war sie nur der Geist, den wir vom Institut her kannten?
Ich schaute in den Innenspiegel. Das heißt, ich wollte es, doch seine Fläche war plötzlich beschlagen, als wäre sie von einem scharfen Atemstoß angehaucht worden.
Neben mir stöhnte Suko. Er hatte sich vorgebeugt, sein Gesicht schimmerte plötzlich blau. Mühsam würgte er die Worte hervor, das Bitten um Hilfe.
»John - tu - was…!«
Mein Kreuz! Verflixt, ich musste an mein Kreuz gelangen, bevor uns das Wesen erstarren ließ, um uns anschließend die Köpfe auf den Rücken zu drehen.
Zwar hatte ich am Rücken keine Augen, doch ich ahnte die Bewegung des Geistes. Gleichzeitig verschwand der Belag auf der Spiegelfläche so schnell, wie er entstanden war. Sie war wieder völlig klar.
Hinter uns erhob sich keine Eiswand. Dafür ein helles Etwas, wie eine sichtbare Seele. Es war der Geist, und er hatte, das glaubte ich jedenfalls erkennen zu können, menschliche Umrisse. Einen Kopf, den Körper, die Ansätze der Arme…
Hinzu kam die Kälte, die nicht nur Suko eingefroren hatte. Auch ich war von ihr erfasst worden.
Mein Körper war von dem unsichtbaren Eis umschnürt. Unsichtbare eisige Zangen fingen an, mich zu umklammern.
Selbst meine Arme waren in Mitleidenschaft gezogen worden, sodass ich an mein Kreuz nicht herankam.
Aber ich konnte sprechen.
Und so würgte ich die Formel hervor, die für eine Aktivierung des Talismans sorgte.
»Terra pestem teneto - Salus hic maneto!«
Das waren die Worte, das war
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