0649 - Killer-Vampire
ihrer Kreditkarte. Die weniger Glücklichen bezahlten mit ihrem Leben.
Dabei sah der Stadtteil auf den ersten Blick nicht aus wie ein sozialer Brennpunkt. Rechts und links der kleinen Straßen lagen Grundstücke, auf denen ein- bis zweistöckige Holzhäuser standen, deren Fenster in den meisten Fällen mit Vorhängen verdeckt waren, oder sogar mit Pappe abgeklebt. Man wollte nicht unbedingt, daß der Nachbar sah, was man an Elektronik im Wohnzimmer stehen hatte.
Hinter den Holzbauten ragten die Silhouetten einiger Hochhäuser auf, die man freundlich als »Projects« bezeichnete. Wer in diesen Häusern lebte, die von der Stadt als Sozialwohnungen gebaut worden waren, lebte, hatte jegliche Hoffnung aufgegeben. Die Arbeitslosigkeit lag bei über sechzig Prozent, und fast jeder Jugendliche über vierzehn war vorbestraft. Die Projects erstickten in einem Sumpf aus Drogen, Verbrechen und Hoffnungslosigkeit, der sich schon längst über ihre Grenzen in die umliegenden Gebiete ausgebreitet hatte. So auch in diesen Teil von Watts, den die Vampire zu ihrem Hauptquartier ernannt hatten.
Eric drehte sich von der Tür weg und sah Roberto an. »Was, zum Teufel, hast du genommen? Bist du wieder auf Drogen?«
Der Mexikaner schüttelte den Kopf. »Nein, keine Drogen«, sagte er. »Das brauche ich nicht mehr. Mir reicht Blut, frisches, warmes Blut. Das ist besser als Crack oder Heroin oder Kokain - und außerdem billiger.«
Er lachte wieder. »Es kostet nur ein Menschenleben.«
»Und es vernebelt anscheinend auch dein Gehirn!« fuhr der Schwarze ihn an. »Hast du nicht gemerkt, daß Leigh noch nicht zurück ist und draußen die Sonne aufgeht? Was ist, wenn ihr was passiert ist?«
Roberto, der den Spitznamen »Rabid Dog«, tollwütiger Hund, bekommen hatte, als er bei einem Streit mit Schaum vor dem Mund auf einen anderen losgegangen war, zuckte die Schultern. »Was soll ihr schon passieren? Sie ist doch ein Vampir.«
Als Antwort sprang Eric mit einem Schrei auf ihn zu, packte den völlig überraschten Mexikaner und zerrte ihn die Treppe hinunter auf die Tür zu.
»Was soll ihr schon passieren?« schrie er ihn an. »Das zum Beispiel!«
Er riß die Tür auf und stieß Roberto, der immer noch nicht begriff, was eigentlich mit ihm geschah, hinaus in den vergammelten Vorgarten. Dann knallte er die Tür zu und warf sich von innen dagegen.
Draußen kam der Mexikaner taumelnd auf die Beine und schrie plötzlich auf, als die ersten Sonnenstrahlen sein Gesicht berührten. Seine Haut schien in Flammen zu stehen. Vor Schmerzen schluchzend zog er sich seine »L.A. Lakers«-Windjacke so weit wie möglich über den Kopf und begann hysterisch gegen die Tür zu hämmern.
»Eric!« schrie er. »Verdammt, laß mich rein! Das kannst du doch nicht machen!«
Die Schmerzen raubten ihm fast den Verstand. Immer wieder warf er sich mit aller Kraft gegen die Tür, nur gab die keinen Zentimeter nach.
»Eric!« brüllte er, während er erschöpft an der Tür zusammensackte. »Laß mich so nicht sterben.«
Roberto schloß die Augen und spürte im nächsten Moment, wie die Tür geöffnet wurde. Eine Hand packte ihn am Kragen und zog ihn in das abgedunkelte Innere des Hauses.
Es dampfte aus der Kleidung des Mexikaners. Sein Gesicht und seine Hände waren von Brandblasen bedeckt.
Eric beugte sich über ihn. »Was soll einem Vampir schon passieren, richtig, Roberto?«
»Du verdammtes Schwein«, flüsterte der Mexikaner und richtete sich langsam auf. »Warum hast du das getan?«
»Ja, Eric, erzähl es uns«, erklang eine Stimme von oben. »Ich würde auch gerne wissen, warum meine Diener sich gegenseitig bekämpfen.«
Der Schwarze sah überrascht auf. Über ihm auf dem Treppenabsatz stand seine Herrin.
Wie immer trug sie ein langes schwarzes Cape, dessen Kapuze ihr Gesicht halb verdeckte. Mit katzenhafter Eleganz kam sie die Treppe herunter, bis sie auf einer Höhe mit ihren Dienern stand. Erics Erleichterung, Leigh lebend wiederzusehen, wurde durch ihren strengen Gesichtsausdruck gedämpft.
»Nun?« fragte die Vampirin fordernd.
Eric nickte nervös. »Roberto hatte nicht begriffen, daß auch wir nicht unsterblich sind und daß es bestimmte Regeln gibt, an die wir uns halten müssen. Das wollte ich ihm zeigen.«
»Indem du ihn fast umbringst?«
Der Schwarze zuckte mit den Schultern. »Ich wußte nicht, wie ich ihm das sonst erklären sollte.«
»Das nächste Mal benutze bitte Worte, keine Taten, Eric,« seufzte Leigh. Langsam bezweifelte sie,
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