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065 - Der Geisterreiter

065 - Der Geisterreiter

Titel: 065 - Der Geisterreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hivar Kelasker
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verlieren ihren Schrecken, wenn man mit ihnen umzugehen weiß. Dann ist es auch einfach, sie zu vernichten.“
    „Glaubst du, Herr?“
    Torras nickte. „Komm!“ ermunterte er Sheng. „Wir müssen weiter.“
    Mit zwei langen Sätzen überquerten sie den Pfad, in dessen Fahrrinnen lehmiges Wasser stand. Plötzlich wurden die beiden Krieger von den Lichtern des Wagens erfaßt. Sie blieben stehen und sahen ihm entgegen. Er schleuderte hin und her, als ob die unsichtbaren Pferde durchgegangen wären.
    „Sie wissen, daß wir die Herrschaft wieder an uns gerissen haben!“ rief der Fürst durch das Heulen des Sturmes. Der Regen kam in Strömen vom Himmel herunter. Die Bäume bogen sich, peitschten mit ihren Zweigen nach den Männern und überschütteten sie mit nassem Laub. „Sie werden ihrem Volk von uns berichten“, fuhr Torras fort. „Die anderen werden Angst bekommen, vor uns zittern und uns den nötigen Respekt entgegenbringen!“
    Der Wagen kam näher, die weißen Augen wurden größer und das Licht stechender. Geblendet und unsicher bewegten sich die Krieger, glitten aus dem Bereich des Lichts hinaus und blieben zwischen einigen Büschen stehen.
    „Sie greifen an!“ grollte Sheng und faßte nach seinem Schwert.
    „Nein!“
    Die Stimme des Herrschers ließ ihn mitten in der Bewegung innehalten. Der Wagen hielt, drehte sich halb, fuhr rückwärts wie von Geisterhand bewegt und kam dann auf den Weg zurück. Wieder hörten sie das ratternde Geräusch. Der Wagen schoß auf sie zu, und jetzt erfaßte auch den Fürsten ein Gefühl der Angst. Aber es war nicht die Furcht vor diesem Wagen, sondern davor, daß er die neue Welt nicht kannte und sein Wissen keine Gültigkeit mehr hatte.
    „Zurück!“ befahl Fürst Torras.
    Sie verbargen sich in dem schützenden Dunkel.
    Von einer geheimnisvollen Kraft getrieben, ratterte der Wagen an ihnen vorbei. Vielleicht war es die gleiche Kraft, von der auch sie ihren Antrieb empfingen. An der Rückseite des Wagens glühten zwei große, rote Augen auf und warfen das Licht schwelenden Brandes über Bäume und Büsche.
    Langsam verklang das fremde, unheimliche Geräusch und verlor sich in der Dunkelheit des Waldes.
    Der Fürst sagte entschlossen: „Dorthin – in diese Richtung, Sheng! Wo der Kampfwagen hinfährt, finden wir bestimmt auch Pferde und können uns umsehen oder Auskünfte bekommen.“
    Sein Kampfgefährte nickte.
    Der Weg der beiden Hunnen führte nach Westen. Sie hatten sich schnell an die Dunkelheit gewöhnt. Zudem erhellten Blitze in immer schnellerer Folge die Landschaft. Mit jedem dieser grellen, zuckenden Strahlenbündel fühlten sie neue Lebensenergie durch ihre Leiber pulsen.
    Torras und Sheng kamen gut voran, und sie verschwendeten keinen Gedanken mehr an das Blutbad, das sie in dem Lager angerichtet hatten. Für ihre Begriffe herrschte Krieg zwischen den Völkern, und Tote waren eine Folgeerscheinung von Schlachten, Überfällen und nächtlichem Gemetzel.
    „Wir werden fünf Tage lang in der Nähe der nächsten Siedlung bleiben und sie beobachten“, sagte der Herrscher von Nyrmada. „Es wäre unklug, einen Feind anzugreifen, den man nicht genau kennt. Leider haben wir keine Sklaven, die wir als Späher ausschicken könnten.“
    Sheng lachte rauh. „Wir werden unsere eigenen Späher sein, mein Fürst. Und dabei werden wir Proviant, Pferde und Waffen erbeuten!“
    Seine Augen glühten vor Begier, endlich etwas Handfestes unternehmen zu können – Beute zu machen, wie es gute, alte Hunnensitte war.
    „Fünf Tage …“ wiederholte Torras.
    Die Menschen in den umliegenden Dörfern und dem nahen Städtchen ahnten nicht, was in dieser stürmischen Gewitternacht geschehen war, welche Gefahr der zu neuem Leben erwachte Hunnenfürst und sein Kriegshauptmann für sie darstellten. Schritt um Schritt näherte sich das Unheil – zunächst der kleinen Stadt Stalberg, die im Westen des Hochmoores lag.
     

     
    Es dämmerte bereits, aber im Zimmer brannte noch kein Licht. Jürgen und ich saßen uns gegenüber und schwiegen. Es war der sechste Abend nach dieser schrecklichen Gewitternacht, und wie ein schlechter Film rollten die Ereignisse immer wieder vor unseren Augen ab. Ein Film, in dem wir unfreiwillig die Rollen laienhafter Hauptdarsteller übernommen hatten.
    Ich erinnerte mich an das ungläubige Staunen in der Polizeistation, nachdem wir, immer noch angstgeschüttelt, von unseren Erlebnissen berichtet hatten. Wieder glaubte ich den Zweifel zu spüren,

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