065 - Der Geisterreiter
über den Charakter der Filmreportage. Er wollte weiter, aber eine lange Ranke hielt ihn fest. Er riß den Fuß hoch, um sich zu befreien, da hörte er plötzlich von rechts ein Geräusch, das ihm bekannt schien, er aber nicht genau ausmachen konnte.
„Achtung! Kamera!“ sagte er leise, aber scharf.
Die Männer gingen in die angegebene Richtung. Vögel flogen auf. Im Gebüsch knisterte und raschelte es, als unsichtbar und schnell kleine Tiere flüchteten. Und wieder dieses rhythmische Geräusch. Sie hörten genauer hin. Es war das Trappeln von Hufen.
Also doch! Vielleicht glückten ein paar gute Schüsse.
„Los! Filmen! Sie müssen dort auftauchen. Reservekassette!“
„Ist schon klar, Chef!“ sagte der Kameramann.
Und sie kamen wirklich. Zwischen den Baumstämmen jagten in einem halsbrecherischen Galopp zwei Reiter heran. Wie Indianer hingen sie in den Sätteln. Aber es waren Hunnen, beziehungsweise Männer, die sich perfekt kostümiert hatten.
Der vordere Reiter war ein kleinwüchsiger, aber breitschultriger Mann, der zum Kostüm der Hunnenkrieger seltsamerweise ein Gewehr trug. Er hielt es ausgesprochen lässig in der rechten Hand.
Hinter ihm – die Sonnenstrahlen erreichten eben den Taleinschnitt und ließen das Metall der Rüstungen und Helme auffunkeln – ritt wohl derjenige, der sich Fürst Torras nannte. Er ritt ohne Zügel und dirigierte sein Pferd nur durch Schenkeldruck. In seinen Händen hielt er einen mittelgroßen, hellen Bogen. Er war gespannt.
Der Mann im Sattel machte eine heftige Bewegung. Das Pferd griff plötzlich aus und rannte auf den Regisseur zu. Die Kamera surrte unentwegt.
„Die sind doch wahnsinnig!“ schrie der Toningenieur auf. In schnurgerader Richtung preschten die beiden Reiter auf das Fernsehteam zu. Der Regisseur stand wie erstarrt. Damit hatte er nicht gerechnet.
Mit dem brennenden Schmerz, der unterhalb seines Schlüsselbeines aufflammte und dem harten Schlag, der ihn auf den Rücken warf, nahm er gleichzeitig das Geräusch wahr, mit dem die Sehne gegen das glänzende Metall am Arm des Fürsten schlug. Und er hörte das Heranheulen des Pfeiles. Ehe er bewußtlos zusammenbrach, erreichte ihn noch der Knall eines kurzen, peitschenden Schusses.
Das schwere Pferd setzte mit einem riesigen Satz über den Körper des Mannes hinweg und wurde auf der Hinterhand herumgerissen.
Torras von Nyrmada sah flüchtig auf seinen Gegner hinunter. Er hatte keine Ursache, diesen Späher zu töten, er mußte ihm jedoch seine Überlegenheit beweisen.
Der trockene Knall eines Feuerrohres riß den Fürsten aus seinen Gedanken. Er blickte zu Sheng hinüber, der aus der Hüfte geschossen und den kleinen Mann getroffen hatte, der vorhin einen seltsamen Kasten trug. Seine Ohren waren durch eigentümliche runde Scheiben verdeckt, die über dem Kopf mit einem Bügel zusammengehalten wurden. Jetzt ließ er den Kasten ins Gras fallen und torkelte, die Hand an die Schulter gepreßt, schreiend davon. Zwischen seinen Fingern lief dick das Blut hervor.
Der dritte Mann hielt einen merkwürdigen Gegenstand vor sein Gesicht, von dem ein helles Summen ausging. Er wandte sich langsam um, richtete die Öffnung des Gerätes zunächst auf Sheng, dann auf ihn, den Fürsten. Er schien jede seiner Bewegungen zu verfolgen, sogar dann noch, als er das Pferd herumriß und ein zweites Mal anritt.
Das Summen schien lauter zu werden.
„Verdammt sollst du sein!“ schrie Torras, riß sein Schwert heraus, hielt den Schwertarm waagerecht vom Körper weg, holte aus und ritt auf das Ziel zu. Er lenkte sein Pferd so, daß er den Mann rechts passieren würde und schlug zu, als er knapp an ihm vorbei war.
Der Schlag ging in den Zauberkasten und fetzte ein Stück des dicken Rohres heraus. Der Mann machte einen Satz nach hinten, drehte sich und deutete mit dem Rohr wieder auf Sheng, der jetzt ruhig dastand und das Feuerrohr hob.
Torras zügelte sein Pferd.
„Meine Beute, Fürst!“ rief Sheng.
„Schnell! Sie kommen von dort und haben Feuerrohre!“ schrie der Fürst und deutete mit dem Schwert auf die Männer, die rutschend und fallend den Hang herunterkamen.
Sheng feuerte.
Der Mann, in den Rücken getroffen, weil er sich in der letzten Sekunde noch flüchtend weggedreht hatte, ließ den summenden Kasten fallen, riß die Arme hoch und fiel aufs Gesicht. Sheng feuerte langsam drei Schüsse auf die schnell herankommenden Verfolger ab, dann warf er sich das Feuerrohr auf den Rücken und ritt auf den Fürsten
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