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065 - Der Geisterreiter

065 - Der Geisterreiter

Titel: 065 - Der Geisterreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hivar Kelasker
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machen, Ille!“ sagte sie leise. „Ich habe keine Schmerzen. Aber wie geht es Willy?“
    Willy war mein Vater, ihr Mann. Ich versuchte ein Lächeln und erwiderte: „Er schläft. Übrigens – der Wagen sieht halb so schlimm aus!“ log ich. Ich wußte, daß sie mich danach fragen würde und kam ihr damit zuvor. „Am besten wird sein, du versuchst auch zu schlafen, Mutter. Wir kommen morgen wieder.“
    „Heute!“ korrigierte Jürgen hinter mir.
    Meine Mutter sah ihn erst jetzt und fragte: „Wer ist dieser junge Mann?“
    Ich küßte sie leicht auf die Wange.
    „Das erzähle ich dir, wenn ich wiederkomme. Schlaf jetzt. In einer Woche bist du sowieso wieder zu Hause!“
    „Vielleicht!“
    Sie schloß die Augen. Wir nickten der Schwester zu und verließen den Raum.
    „Und was jetzt, Illemädchen?“
    „Am liebsten würde ich die Stadt verlassen – irgendwohin ans Mittelmeer fahren, denn hier finden wir doch keine Ruhe mehr! Glaub mir, in den nächsten Tagen wird sich das Spektakel wiederholen, und …“
    Jürgen legte den Arm um meine Schultern und zog mich fest an sich. Wir wußten beide, daß es unmöglich war, wegzugehen. Meine Eltern brauchten mich jetzt hier und ich konnte nicht mehr ohne Jürgen sein, der durch seinen Auftrag im Augenblick noch an diese Stadt gebunden war.
    Aber ich fühlte eine irrsinnige Angst in mir, Angst davor, was sich in den nächsten Tagen ereignen würde. Schon draußen an der Unfallstelle hatte ich immer das Gefühl gehabt, vom Wald her beobachtet zu werden. Die Vorstellung, der Hunnenfürst habe seine schwarzen Augen auf mich gerichtet, ließ es mir kalt über den Rücken rieseln. Was hatte er vor?
    Ich wollte mit Jürgen darüber sprechen, doch dann unterließ ich es wieder, ohne eigentlich zu wissen, weshalb.
    Inzwischen war die Sonne aufgegangen, und damit verblaßten auch die Eindrücke der Nacht.
    „Es wird sicherlich einige unangenehme Tage für uns geben“, meinte Jürgen ernst. „Aber auch die gehen vorbei. Im Augenblick habe ich keinen anderen Wunsch, als zu schlafen. Ich bin hundemüde!“
    „Ich auch.“
    Wir fuhren schweigend nach Hause.
     

     
    Die „Sensation aus dem Teufelsmoor bei Eichelsbrunn“ machte Schlagzeilen. Ich erfuhr es im Supermarkt, als ich einkaufen ging.
    In Sommerath und Stalberg hatten sich zwei Gruppen gebildet. Ein Teil der Bevölkerung schien von heute auf morgen in das dunkelste Mittelalter zurückgefallen zu sein, in die Mystik der Gotik oder in die Jahre der Hexenverbrennungen. Die Leute glaubten allen Ernstes, daß man die beiden Hunnen nur versöhnen und von weiteren Morden abhalten konnte, wenn man tat, was sie forderten.
    Die andere Gruppe bestand aus realistischen Menschen. Das heißt, sie glaubten nur, Realisten zu sein. Sie verbarrikadierten ihre Häuser, ließen nachts ihre Hunde los und räumten alles ins Haus, was ihrer Meinung nach die Hunnen anlocken konnte.
    Lediglich der zuständige Minister handelte realistisch.
    Als er sich davon überzeugt hatte, daß tatsächlich zwei Bewaffnete mit sechs Pferden in der Nähe des Teufelsmoores hausten, forderte er Polizei und Grenzschutz an und ließ Patrouillen fahren.
    In der kommenden Nacht sah man auf jedem einigermaßen befahrbaren Weg geländegängige Fahrzeuge, die nach den Verbrechern suchten. Sie waren tatsächlich eine echte Beruhigung für die Bevölkerung, aber auch sie konnten nicht verhindern, was am nächsten Tag passierte.
    Ein Fernsehteam machte sich auf den Weg zur Woffelsburg, um den, wie es hieß, unglaublichen und merkwürdigen Vorgängen auf die Spur zu kommen und die Wahrheit ans Tageslicht zu bringen.
    Gegen Morgen fuhren die drei Männer los, begleitet von einem Jeep des Grenzschutzes. Die Polizei von Stalberg hatte darauf bestanden.
    Der Weg zur Woffelsburg war nicht mehr als ein schlecht markierter Wanderpfad, den man zunächst über verschiedene Feldwege und schließlich kaum zu erkennende Pfade ansteuern mußte.
    Den ganzen Tag über quälten sich die Wagen mit Vierradantrieb und Geländegang durch die Gegend. Sie fuhren im Zickzack, blieben ab und zu im Moor stecken und konnten nur manchmal kurze Abschnitte guter Strecken befahren.
    Das dreiköpfige Fernsehteam mußte zwei Pausen einlegen, um sich bis auf vierhundert Meter Luftlinie an die Burgruine heranzuarbeiten. Am frühen Abend hielten sie endlich auf einer kleinen Anhöhe, völlig erschöpft und am ganzen Körper voller blauer Flecken.
    „Hier bleiben wir!“ sagte der Regisseur.

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