065 - Der Geisterreiter
Kameramann und Toningenieur sprangen aus den Sitzen und streckten sich. Zwischen der kleinen Windbruch-Lichtung und der Burg lag ein enges Tal, das von viel wildwucherndem Gras, Büschen und vereinzelten Bäumen bewachsen war.
„Morgen bei Sonnenaufgang drehen wir die ersten Aufnahmen!“ sagte der Chef.
Mit heulendem Motor schob sich der Jeep mit den vier bewaffneten Grenzschutzbeamten die letzte Anhöhe herauf und blieb heiß und stinkend neben dem Wagen des Fernsehteams stehen. Als der Motor ausgeschaltet wurde, wirkte die Stille plötzlich doppelt beängstigend. Die sieben Männer konnten sich eines unheimlichen Gefühls nicht erwehren.
„Sie wollen hier übernachten, Meister?“ erkundigte sich der Fahrer des grünen Geländewagens.
„In der Tat.“
„Da nehmen Sie sich aber ganz hübsch etwas vor!“ sagte der Beamte.
„Haben Sie wenigstens genug Verpflegung da?“
„Ja, und sogar Schlafsäcke!“
„Ausgezeichnet! Da kann ja nichts passieren!“
Die Fernsehleute bauten ihre Geräte auf und schützten sie mit den wasserdichten Überzügen. Eigentlich hatte der Regisseur vorgehabt, einen ersten Erkundungsgang zur Ruine zu unternehmen, aber etwas hielt ihn davon ab. Er wußte selbst nicht, was es war.
Auf dem Kühler des Wagens sitzend, einen Becher mit leidlich heißem Kaffee in der Hand, blickte er immer wieder hinüber zur Ruine. Sie zog seinen Blick geradezu magisch an. Auch die anderen Männer hatten ihre künstlich hochgespielte Fröhlichkeit verloren.
„Ein einmaliger Blick!“ murmelte der Teamleiter.
Nach Westen ragte ein ungeheurer gelbbrauner Felsblock aus dem Hügel hervor. Im Osten wurde die Anhöhe von Wald umgeben. Auf dem höchsten Punkt lag die Ruine der Woffelsburg, von der man sicherlich einen grandiosen Blick über das Hochmoor und weit ins Land hinein hatte. Ein runder Turm, noch ziemlich gut erhalten, fiel ins Auge, während ein viereckiger in sich zusammengefallen war. Mauerreste, wie eine dicke Schlange vom nackten Fels ausgehend, legten sich kreisförmig um die Bergkuppe. Überall wucherten Büsche auf den Mauern, die an einigen Stellen mit den Kronen uralter Laubbäume zu verschmelzen schienen. Vermutlich gab es unterhalb der Burg auch Höhlen, geheime Gänge oder eingestürzte Kammern.
„Sie wollten doch rüberklettern!“ meinte der Toningenieur und testete sein Gerät.
„Heute nicht mehr“, wich der Chef aus. „Schon zu dunkel. Ich würde mir auf dem Rückweg alle Knochen brechen.“
„Da haben Sie natürlich recht.“
In der Nacht schliefen die Männer kaum. Zwischen den Mauern glaubten sie Schatten zu sehen. Der Wind brachte Rauch zu ihnen herüber und den Geruch verbrannten Fleisches. Einmal wieherte ein Pferd.
Kurz nach Mitternacht erwachte der Kameramann aus einem flachen, unruhigen Schlaf. Er rieb sich die Augen und starrte hinüber zur Woffelsburg.
Zwischen den Mauern des Turmes brannte ein riesiges Feuer. Immer wieder flackerte es auf, wenn sich Gestalten zwischen die Flammen und ihn schoben. Dieses Mal war das Wiehern deutlicher zu hören. Vielleicht waren die beiden verrückten Verbrecher von einem nächtlichen Streifzug oder Raub zurückgekommen und feierten ihren Erfolg! Solch eine irrsinnige Idee hatte gerade noch gefehlt – zwei Gangster, die sich als Hunnen verkleideten und auf Pferden das Land unsicher machten.
Der Unsinn, der pausenlos in aller Welt passierte, und von dem schließlich auch er lebte, beschäftigte ihn eine Weile. Dann schlief der junge Mann wieder ein. Er warf sich unruhig von einer Seite auf die andere und war froh, als die Nacht vorüber war.
Schon vor Sonnenaufgang machte das Fernsehteam die größere Kamera fertig. Langsam erwachten auch die Leute vom Grenzschutz und bereiteten fluchend und schlechtgelaunt ihr Frühstück zu. „Okay, Jungens! Der Himmel wird hell. Fangen wir an!“ rief der Regisseur seinen Leuten zu.
Als die ersten Sonnenstrahlen die alten Mauern in rötliches Licht tauchten, begann die Kamera zu surren. Nachdem die Aufnahmen im Kasten waren, machten sich die Männer, ausgerüstet mit Tonband und Handkamera, an den Abstieg. Das Gras und die dornigen Brombeerranken waren noch feucht vom Tau.
Langsam tappten und rutschten sie den Abhang hinunter und bahnten sich einen Weg durch die hohen Gräser und das verfilzte Unterholz.
Etwa fünfzig Meter hinter ihnen folgten zwei Grenzschutzleute.
„Dort hinüber, in den Wald!“ sagte der Regisseur. Er hatte bereits festumrissene Vorstellungen
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