065 - Der Geisterreiter
Fahrzeuge in Brand, dann schlugen seine Blitze in den Boden und vertrieben die Männer, die sowieso schon völlig kopflos waren. Ein Munitionsfahrzeug detonierte und vergrößerte den Tumult.
Nachdem seine Feinde geflüchtet waren, nahm Torras die Hand von der stromführenden Leitung. Schlagartig herrschte wieder Dunkelheit in dem Gebiet der Umspannstation.
Ich hatte die ganze Zeit über regungslos am Boden gekauert, einen Sicherheitsabstand von etwa sieben Metern zwischen mir und dem Fahrzeug. Eigenartig, bis jetzt hatte ich mich hier draußen sicherer gefühlt als in dem Wagen. Als mir jedoch schlagartig klar wurde, daß mir die verwirrt herumrennenden Männer keinen Schutz bieten konnten und der Hunne seine Freiheit wiedergewinnen würde, erfüllte mich von neuem die panische Furcht, Torras könne mich noch einmal in seine Gewalt bringen.
Nur das nicht! Wie von Furien gejagt lief ich auf eines der beiden Polizeifahrzeuge zu. Plötzlich wurde die Tür aufgestoßen und in dem schauerlich flackernden Licht der brennenden Wagen sah ich Jürgen stehen.
Mit einem Schrei warf ich mich in seine Arme.
„Illemädchen! Mein Kleines!“ sagte er und hielt mich fest an sich gepreßt.
Scharfe Befehle trieben die Männer erneut nach vorn. Wagen wurden angelassen, Schreie und Flüche mischten sich in das Geräusch der Motoren. Man versuchte, die Mannschaften zu sammeln und gab neue Instruktionen.
Drei Wagen brannten vollständig aus. Der schwache Wind trieb den Gestank und die Hitze nach Osten. Irgendwo aus der Dunkelheit klang eine Feuerwehrsirene zu uns herüber.
Schließlich hörten wir lautes Wiehern und das Klappern von Pferdehufen. Aus dem Gewirr von Isolatoren und Leitungen donnerte der Hunnenfürst hervor. Im Schein des Feuers konnte man erkennen, wie er seitlich auf dem Pferd hängend und durch dessen Körper vollständig gedeckt, blitzschnell zwischen den brennenden Wagen hindurchgaloppierte und das freie Feld zu erreichen suchte.
„Laß uns nach Hause fahren“, sagte Jürgen. „Für den Rest mögen die anderen sorgen!“
Ich nickte. Wir vermieden beide, von meiner zweiten Entführung zu sprechen, aber ich spürte genau, wie froh Jürgen war, daß er mich heil und gesund wiedergefunden hatte. Jetzt würde er nicht mehr von meiner Seite weichen, bis die Gefahr endgültig vorüber war.
„Aber du hast doch gar keinen Wagen hier“, sagte ich.
„Es stehen genug herum.“
Wir fanden schließlich einen leeren Polizeiwagen. Jürgen winkte ab, als ich Bedenken anmelden wollte. „Ich rufe dann sofort an oder stelle das Fahrzeug vor dem Revier ab. Zufrieden?“
Erschöpft ließ ich mich in die Polster sinken. Jürgen startete und fuhr los.
„Wohin muß ich eigentlich fahren? Ich kenne hier keine einzige Straße.“
Ich deutete nach vorn.
„Hinter der Umspannstation ist ein Weg, der auf die Bundesstraße führt. Von dort erreichen wir den Autobahn-Zubringer. Wir können in zwanzig Minuten zu Hause sein.“
Wir fuhren langsam an, fanden den Feldweg und kamen an einer langen Reihe von Fahrzeugen vorbei. Viele Männer standen in kleinen Gruppen beisammen und diskutierten laut, aber niemand hielt uns auf.
Jürgen erkundigte sich: „Wie geht es dir, Ille?“
Ich gähnte, kroch tiefer in den warmen Sitz hinein und murmelte: „Ein bißchen besser, aber ich wünschte, ich wäre bald im Bett. Weißt du, manchmal kommt mir das alles wie ein böser Traum vor, irgendwie unwirklich … und trotzdem habe ich Angst, der Hunne könnte …“
Jürgen ließ sich nicht auf ein Gespräch ein. Was hätte er mir auch sagen sollen?
Wir fuhren mit mäßiger Geschwindigkeit, denn die Bundesstraße war ziemlich kurvenreich. Ich ertappte mich dabei, wie ich die Straßenränder absuchte. Das Gefühl, Torras noch einmal zu begegnen ließ mich einfach nicht los.
Bald würden wir die Schnellstraße erreichen. Im Wagen war es wärmer geworden. Ich wurde schläfrig und schloß die Augen. Wirre Träume verfolgten mich. Ich sah mich wieder vor dem Hunnen im Sattel sitzen, spürte seine harte Hand auf meinen Brüsten und hörte sein Lachen. Von Zeit zu Zeit merkte ich, wie ich zusammenzuckte. Dann wurde ich wieder wach.
„Wo sind wir denn?“ fragte ich und versuchte, die Augen offenzuhalten.
„Gleich an der Schnellstraße“, erwiderte Jürgen.
„Was ist das dort vorn? Kommen wir wieder an dem Umspannwerk vorbei?“ fragte er plötzlich.
Ich schaute in die angegebene Richtung. Hinter einer Biegung sah ich einen roten
Weitere Kostenlose Bücher