0652 - Der Bogie-Mann
nicht beurteilen.«
»Tatsächlich nicht?« Ich gab mich überrascht. »Ich habe immer gedacht, dass gerade ihr zu dem Bogie-Mann ein besonderes Verhältnis habt. Überlegt mal, ihr wohnt hier. In eurem Umkreis sind einige Morde geschehen, aber euch hat man in Ruhe gelassen. Für mich ist das ein Beweis, dass ihr gut mit ihm auskommt.«
Tippy prustete los. »So kann doch nur ein Bulle reden.«
»Das hat damit nichts zu tun, Tippy. Denk mal daran, wo wir vor einigen Stunden noch waren. Wir haben den Toten gefunden und einen Mord fast hautnah miterlebt. Du warst allein, als ich mich in der Mühle befand. Und der Killer ist nicht zu dir gekommen.«
»Da bin ich auch froh darüber.«
Ich nickte ihr zu. »Kannst du auch sein, Tippy. Ich allerdings war der Meinung, dass du genau gewusst hast, dass dir der Bogie-Mann nichts antun wird.«
»Ach ja?«
»Davon gehe ich aus.«
Esther griff nach meinem Arm. Ich wunderte mich über den harten Druck ihrer Finger. »Hör zu, John. Ich frage mich, was du uns eigentlich in die Schuhe schieben willst.«
»Gar nichts, Esther. Ich mache mir eben meine Gedanken.«
»Hör auf damit, denn sie laufen in die falsche Richtung. Sind wir es nicht gewesen, die dich hergeholt haben, damit du den Bogie-Mann stellen kannst?«
»Indirekt schon.«
»Was heißt das?«
»Ein Bekannter meines Vaters…«
»Ja, ja«, sagte sie. »Diese Schiene kenne ich. Wir haben dich hier als Gast aufgenommen. Du hast dich in unserem Atelier umgeschaut, John. Du hast gesehen, wie wir arbeiten, du hast dir deine Gedanken darüber machen können. Nachdem du dieses alles gesehen und erlebt hast, glaubst du da noch immer, dass wir etwas mit dem Mörder zu tun haben? Oder eine von uns vielleicht der BogieMann ist?«
Ich ließ mir mit der Antwort etwas Zeit, schaute in ihre Gesichter, die am Rande des Lampenscheins lagen und ungewöhnlich blass wirkten. Aber auch angespannt.
»Nein, das nicht. Von euch ist niemand der Bogie-Mann. Das glaube ich einfach nicht.«
»Danke sehr«, sagte Marion spöttisch, griff zur Weinflasche und schenkte ein Glas ein.
»Und was glaubst du dann?«, fragte Tippy.
»Das ist natürlich sehr schwer zu sagen. Ich gehe davon aus, dass es zwischen dem Bogie-Mann und diesem Haus mit seinen Bewohnern irgendeine Verbindung gibt.«
Esther verzog das Gesicht. »Hör mal, das ist mir zu allgemein. Kannst du dich konkreter ausdrücken?«
»Nur schwer.«
»Versuche es trotzdem.«
Ich blickte Esther direkt an. »Für mich ist es durchaus denkbar, dass ihr mit dem Bogie-Mann auf die eine oder andere Weise zusammenarbeitet.«
Schweigen - was mich überraschte, denn ich hatte damit gerechnet, dass sie aus der Haut fahren würden. Aber sie blieben verhältnismäßig ruhig. Nur Marion stieß ihren Atem als Zischen aus und schüttelte dabei den Kopf.
»Habe ich Recht?«, fragte ich.
»Weiter, Sinclair, weiter!«, forderte Esther. »Ich höre dir gern zu, wie auch meine Schwestern.«
Ich grinste etwas raubtierhaft. »Ja, dagegen habe ich nichts. Setzen wir die Plauderstunde doch fort. Ich gehe davon aus, dass der Bogie-Mann so etwas wie ein Zuhause braucht. Ihr seid gastfreundliche Menschen, wie ich selbst erleben konnte. Und ich könnte mir vorstellen, dass ihr auch dem Bogie-Mann so etwas wie eine Heimat bei euch gewährt habt. Einen Unterschlupf gewissermaßen. Es ist ja so, dass er irgendwohin muss. Er braucht ein Versteck, nicht wahr?«
Esther lachte kreischend. Auch die beiden anderen Frauen amüsierten sich. »Und dann holen wir ausgerechnet dich in unser Haus, wenn wir den Killer hier versteckt halten.«
»Stimmt, Esther, es klingt unglaubwürdig.« Ich sprach schnell weiter, denn ich sah, dass Marion eine Zwischenbemerkung machen wollte. »Allerdings nur auf den ersten Blick, Ladys. Denkt man näher darüber nach, so wie ich es getan habe, sieht schon alles ganz anders aus. Der Bogie-Mann ist ein Günstling des Teufels. Ich will ihn nicht als seine rechte Hand ansehen, aber er stammt doch aus dem Zentrum seines Reiches. Das berichten alle Legenden und Sagen.«
»Was hat das denn mit unserem Fall hier zu tun?«, fuhr mich Tippy wütend an.
»Lass mich weiterreden, Mädchen.« Ich hob zur Beruhigung einen Arm. »Der Teufel, auch Asmodis genannt, existiert. Ich weiß es am besten, denn ich habe ihm des Öfteren gegenübergestanden. Wir beide sind Todfeinde, absolute Feinde. Es gibt keinen Konsens zwischen uns und der Teufel trachtet natürlich danach, mich zu vernichten. Er wird
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