0658 - Blutige Träume
sich um. »Dreizweidrei«, sagte er. »Ich nehme die Treppe.«
Damit war klar, daß die beiden Frauen die Aufzüge benutzen sollten. Nicole schüttelte den Kopf. »So kurz angebunden ist er aber selten gewesen«, sagte sie.
»Er jagt seine Beute«, erwiderte Monica. »Du links, ich rechts?«
Die beiden nebeneinanderliegenden Aufzüge trugen sie in den dritten Stock. Tendyke tauchte nur Sekunden später von der Treppe her auf.
Er nickte.
»Er hat die Etage also nicht verlassen«, stellte er zufrieden fest. »Es sei denn, er hat die Feuertreppe benutzt.«
Aber es war deutlich zu sehen, daß das Fenster, das zur Feuerleiter hinausführte, geschlossen war. Und zwar von innen.
»Warum sollte er geflüchtet sein?« fragte Nicole. »Glaubst du, jemand hätte ihn vor unserer Ankunft gewarnt? Wer sollte das tun?«
»Ich versuche, alle Möglichkeiten zu bedenken«, sagte Tendyke.
Plötzlich hielt er eine Smith & Wesson-Pistole in der Hand. Mochte der Himmel wissen, wo am Körper er die Waffe bisher unsichtbar getragen hatte. Er zog den Schlitten zurück und hebelte eine Patrone in den Lauf. »Dann wollen wir Suite 23 mal in Augenschein nehmen«, sagte er.
Nicole ließ vorerst noch die Finger von ihrer Waffe. Der Blaster haftete an der Magnetplatte ihres Gürtels, offen sichtbar - sowohl der Boy draußen vor dem Hotel als auch der Türsteher hatten das mißtrauisch registriert. Der Clerk an der Rezeption war zu beschäftigt gewesen, darauf zu achten.
»Bring ihn nicht um, Rob«, warnte Nicole.
Er grinste freudlos.
»Das Schlimmste, was mir passieren kann, ist der elektrische Stuhl«, sagte er. »Aber Avalon gibt mir ein neues Leben, und ich suche mir eine neue Identität…«
»Aus dir spricht Asmodis!« stieß Nicole spontan hervor. »Seit wann bist du ein Killer, der nicht einmal auf sein eigenes Leben Rücksicht nimmt?«
Er lachte leise.
»Asmodis«, echote er. »Mein Erzeuger… nein, dem werde ich nie ähnlich sein!«
Nicole war anderer Ansicht. In der Vergangenheit hatte es bei Zeitreisen Momente gegeben, in denen Rob Tendyke seinem Vater Asmodis doch gleichkam in der Art seines Handelns.
Da war er skrupellos und teilweise zynisch gewesen, hatte keine Rücksichten genommen…
Aber immer wieder versuchte er sich von Asmodis zu distanzieren. Seit fünf Jahrhunderten schon!
Vielleicht war es sein Fluch, daß er nicht so sein wollte wie sein Vater, es aber durch bestimmte Umstände immer wieder sein mußte?
Er war inzwischen weitergegangen. Vor Nr. 323 blieb er stehen. Die Suite besaß zwei Türen. Tendyke gab Nicole einen Wink, jenen zweiten Zugang zu öffnen. Dabei machte er mit dem Zeigefinger die Bewegung des Schießens. Sie begriff; sie sollte die Tür mit dem Blaster aufschließen.
Die Idee gefiel ihr gar nicht. »Sachbeschädigung«, formten ihre Lippen.
»Das Haus gehört mir und das Schloß in die Portokasse«, gab er zurück. Ein prüfender Blick zu Monica. »Er ist drin? Wo genau?«
Die Telepathin trat an die gegenüberliegende Korridorwand und lehnte sich an. Sie schloß die Augen und streckte die Hand aus, etwas zögernd. Sie deutete auf eine Stelle hinter der Korridorwand der Suite.
»Etwa dort.«
»Meine Hälfte«, grinste Tendyke. »Jetzt!«
Im gleichen Moment warf er sich schwungvoll gegen »seine« Tür. Die krachte nach drinnen weg. Tendyke ließ sich fallen, rollte sich zur Seite ab und riß die Pistole beidhändig hoch, während er sich wieder aufrichtete.
An der anderen Tür feuerte Nicole einen Laserschuß ab, der das Türschloß schmolz. Sie trat gegen das Türblatt, sprang ins dahinterliegende Zimmer und schaltete den Blaster gleichzeitig mit schnellem Daumendruck auf »Betäubung« um.
Der Raum - geprägt von einem wunderschönen Doppelbett - war leer. Die Zwischentür war offen. Durch diese Tür sah Nicole im Wohnraum den Rücken eines nackten Mannes, und ein paar Meter weiter Tendyke, der die Pistole auf diesen Mann gerichtet hielt.
Der Nackte machte einen Sprung zur Seite, bekam etwas zu fassen.
Tendyke schoß. Zwei, drei Mündungsblitze zuckten auf.
Dann flammte etwas ohrenbetäubend auf ihn zu. Er ließ sich fallen. Hinter ihm entstand eine Kette von schwarzen Löchern in der Zimmerwand. Nicole jagte mit einem wilden Sprung zur Zwischentür, sah den Nackten zwischen zwei Sesseln kauern mit einer kleinen Maschinenwaffe in der Faust, die Tod und Verderben spie.
Sie schoß.
Es knackte trocken; ein fahler, blauer Blitz zuckte aus ihrem E-Blaster, fächerte
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