0658 - Blutige Träume
Zugriff des Erzdämons teilweise entzogen wurde? Oder hatte es mit dem Amulett zu tun, das Ombre bei sich trug? Immerhin hatte auch Lucifuge Rofocale einst Amulette besessen. Er hatte sie gesammelt, anderen abgenommen, die geheimnisvollen und mächtigen Sterne von Myrrian-ey-Llyrana. Vielleicht war in ihm als ehemaligem Amulett-Träger etwas verblieben, das ihn mit seinem bisherigen Todfeind und jetzigem hörigen Vasallen verband?
Eigentlich hätte es nämlich anders herum sein müssen.
Denn Zamorra hatte Ombre, wie auch jedes andere Mitglied seiner dämonenmordenden Menschenbande, mit einer mentalen Sperre versehen, die verhinderte, daß jemand gegen den Willen des jeweiligen Menschen dessen Gedanken lesen konnte.
Dennoch sah Lucifuge Rofocale durch Ombres Augen.
Er sandte dem Neger Alptraumbilder, und er empfing, was Ombre sah!
Er sah Zamorra!
Zamorra war hier. Prompt hatte Ombre unter Lucifuge Rofocales Einfluß auf Zamorra geschossen, ihn aber nicht verletzen können. Aber das spielte nur eine untergeordnete Rolle. Wichtig war, daß es überhaupt gelungen war, Mensch gegen Mensch zu hetzen, Freund gegen Freund.
So konnte es weitergehen.
Der Erzdämon war mit dem, was er erreicht hatte, durchaus zufrieden.
Aber seine dumpfe Furcht vor kommenden Dingen, seine indifferenten Ahnungen, waren nicht schwächer geworden.
Er mußte herausfinden, was das für eine Bedrohung war, die er empfand.
Vielleicht konnte sein Vasall ihm dabei helfen…?
***
Zamorra kehrte in das Haus zurück. Er sah den Muskelmann jetzt mit dem Feuerlöscher statt mit der Schrotflinte hantieren. Der Verschwitzte hatte aber kaum eine Chance, die vielen kleinen Brandherde abzulöschen, für die Ombre mit seiner Ballerei gesorgt hatte.
Er benötigte Hilfe.
Deshalb hatte Zamorra darauf verzichtet, Ombre zu verfolgen. Der lief ihm nicht weg; mit Hilfe der Zeitschau würde Zamorra ihn jederzeit wieder aufspüren können. Aber hier ging es darum, größere Zerstörungen zu verhindern.
Zamorra benutzte seinen Dhyarra-Kristall.
Er konzentrierte sich auf das, was die Magie des Sternensteins bewirken sollte. Dazu mußte er sich das erwünschte Geschehen bildhaft vorstellen, wie in einem Film oder einem Comic-Strip.
Im Moment, da sich niemand um ihn kümmerte, ihn störte, hatte er damit keine Schwierigkeiten. Der Muskelmann sah sich nicht einmal um; er versuchte verbissen, den Rest des Löscherschaums auf die Brandnester zu sprühen.
Zamorra ließ die vielen kleinen, tückischen Feuer erlöschen.
Es ging sehr schnell. Die Glut verschwand, die Flammen erstarben. Innerhalb weniger Sekunden brannte nichts mehr. Nur die Zerstörungen, welche das Feuer in der Zwischenzeit angerichtet hatte, konnte Zamorra nicht mehr rückgängig machen. Das überstieg sein Können. Vielleicht wäre es mit einem Dhyarra 4. Ordnung sogar möglich gewesen, aber Zamorra wollte seine Energie nicht daran verschwenden.
Verblüfft starrte der Muskelmann die Brandstellen an, die nicht einmal mehr rauchten. Ihm war völlig klar, daß das Erlöschen nicht auf seine eigenen Anstrengungen zurückzuführen war; verständnislos sah er sich um und entdeckte Zamorra und dahinter Uschi Peters.
Die hatte ihr T-Shirt immer noch nicht wieder heruntergezogen. Ob aus Absicht, oder ob sie es einfach nur vergessen hatte, spielte hier und jetzt keine Rolle. Immerhin übte sie eine recht verwirrende Wirkung auf den Hotelmann aus.
Der schien vergessen zu haben, daß es erst vor ein paar Minuten eine Auseinandersetzung zwischen ihm und Zamorra gegeben hatte, als er mit der Schrotflinte auf Cascal schießen wollte. »Was…?« stieß er hervor und suchte mühsam nach weiteren Wörtern, um die Fragen zu stellen, die ihm auf der Seele brannten.
»Schätze, Sie brauchen die Feuerwehr nicht mehr zu rufen«, schlug Zamorra vor und schlug ihm freundschaftlich auf die Schulter.
Er arbeitete sich die Treppe hinauf. Das war zumindest auf den unteren Stufen nicht ganz so einfach, weil der Löschschaum für erhebliche Rutschgefahr sorgte. Aber Zamorra arbeitete sich nach oben vor.
Uschi folgte ihm wie ein Schatten.
Der mörderische Krach hatte natürlich die anderen Gäste dieser Billigst-Herberge aufgeschreckt. Da nicht mehr geschossen wurde, kam man allmählich aus den Zimmern hervor und wollte wissen, was eigentlich passiert war. Unter anderem das Pärchen, das am Fenster zur Straße pikante Leibesübungen vollzogen hatte und auch jetzt nicht daran dachte, sich etwas anzuziehen.
Zamorra
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