0659 - Die indische Rache
verteilten sich drei Türen. Die mittlere mußte ich nehmen, um Helen Dexter besuchen zu können.
Ich wollte schon klingeln, als ich sah, daß es nicht nötig war, denn die Tür stand spaltbreit offen.
Vorsichtig drückte ich die Tür weiter auf, schaute in den breiten Flur, an dessen Wänden zahlreiche Fotos hingen.
Nur von Helen sah ich nichts.
Klar, daß mich ein ungutes Gefühl beschlich. Das hat wohl jeder, wenn er allein eine fremde Wohnung betritt. Meine Waffe ließ ich stecken, vorsichtig war ich schon und versuchte auch, meine Schrittgeräusche so weit wie möglich zu dämpfen.
In mehrere Zimmer schaute ich. Bad und Schlafzimmer gehörten zu den kleinen Räumen, während der Wohnraum mit dem großen Fenster ziemlich geräumig war, so daß auch noch ein breites Brett seinen Platz darin hatte finden können.
Keine Spur von der Reporterin.
Das Zimmer sah nicht unbedingt klinisch rein aus, wirkte aber auch nicht unaufgeräumt. Man konnte sofort erkennen, daß hier jemand wohnte und nicht in einem Ausstellungsstück sein Leben verbrachte.
Mitten im Raum hatte ich angehalten, drehte mich dabei auf der Stelle und dachte darüber nach, aus welch einem Grund die Tür nicht verschlossen gewesen war.
Sollte mich jemand gelockt haben?
Meine Blicke tasteten die Wände des Wohnraums ab. Bilder erzählen oft viel über die Menschen, die mit ihnen leben. Diese hier wirkten wie Fotografien, die jemand mit meist blassen grünen und blauen Farben nachträglich koloriert hatte.
Ein Zweig der modernen Kunst, wie ich annahm. So genau kannte ich die Trends nicht.
Bis ich mich wunderte, denn an einer Stelle der hell gestrichenen Wand hing ein Gegenstand, der meiner bescheidenen Meinung auch nicht hierher paßte.
Es war ein Gesicht!
Nein, doch nicht. Beim Nähertreten entdeckte ich, daß an der Wand eine Maske hing.
Und sie machte auf mich einen abstoßenden Eindruck. Sie bestand aus dunklem Holz. Die Maske stellte ein Gesicht dar, bei dem sogar Haare vorhanden waren.
Sie hingen wie dichtes Gestrüpp in die Stirn hinein. Eine Nase war nur angedeutet, ein Klumpen, mehr konnte ich wirklich nicht sehen.
Dafür aber das offenstehende Maul!
Ich schauderte unwillkürlich, als ich es betrachtete. Es war einfach häßlich und übergroß. Dabei mit derartig mächtigen Zahnreihen versehen, daß die beiden schon aussahen wie drei oder vier.
Über dem Maul und auch über der Nase sahen die Augen aus wie breite, Schlitze. Pupillen sah ich nicht, denn die Augen wurden ebenfalls von einer braunen Masse ausgefüllt.
Die Maske hing an der Wand, als hätte sie nichts zu bedeuten, aber ich war da anderer Meinung. Für mich strahlten sie etwas Böses ab, und ich dachte unwillkürlich an die Maske des Totengottes Jama, die Sira bei sich getragen hatte, bevor es mir gelungen war, ihren Körper zu vernichten.
Daß die Maske aus Indien stammte, konnte ich mir gut vorstellen. Auch Helen Dexter kannte sich in diesem Land aus. Möglicherweise hatte sie die Maske von ihren Reisen mitgebracht. Nur paßte sie nicht zu dem übrigen Wandschmuck. Sie fiel einfach ab und auch ab zwischen all den kleinen Kunstwerken.
Ich hatte normalerweise nicht das Recht, mich mit den Dingen in der Wohnung zu beschäftigen, aber diese Maske wollte mir einfach nicht aus dem Sinn. Ich glaubte fest daran, daß mehr dahinter steckte. Es wäre nicht das erstemal gewesen, daß in Masken ein gewisses, unheiliges Leben steckte.
Sie von der Wand zu nehmen, traute ich mich nicht, aber berühren wollte ich sie und dabei feststellen, aus welch einem Material sie bestand. Zwar erinnerte es mich an Baumrinde, wegen der tiefen Furchen und Schnitzstellen in den Wangen, aber daran wollte ich nicht so recht glauben. Dicht vor ihr blieb ich stehen und hob die Arme so weit an, daß ich die Maske berühren konnte.
Nein, sie bestand nicht aus Rinde. Dazu war sie einfach zu schwer. Aus einer kompakten Masse war sie gefertigt worden, sicherlich ein Holz, wie es nur in Südasien wuchs.
Ich klopfte mit dem Fingernagel dagegen. Ich hatte auch probiert, ob es sich bei dieser Maske um ein warmes Material handelte, aber das stimmte nicht.
Es fühlte sich normal an, war nicht durch irgendwelche Kräfte aufgeheizt worden.
Trotzdem stand ich vor einem Rätsel. Und Rätsel brauchen eine Lösung.
Bei dieser Maske war es nicht anders.
Den Schlüssel zur Lösung trug ich möglicherweise bei mir, denn ich dachte sofort an mein Kreuz.
Von ihm strömte eine sehr positive Energie aus, die
Weitere Kostenlose Bücher