0659 - Die indische Rache
klang klar und deutlich. »Sorry, John, aber ich mußte es tun.«
»W… was tun…?«
»Die Tropfen im Whisky. Manchmal lohnt es sich, wenn man sie als alleinstehende Person besitzt. Es gibt immer Möglichkeiten, sie einzusetzen. So wie jetzt.«
»Ja«, flüsterte sie. »Ja, das meine ich auch.« Ich hielt die Augen halb geschlossen, wollte meine Arme anwinkeln, um mich abzustützen, auch das gelang mir nicht mehr. Statt dessen sah ich, wie sich Helen schlangengleich auf mich zubewegte.
»Was wollen… Sie?«
»Nichts Böses, John. Ich muß bei Ihnen nur etwas finden. Man hat es mir gesagt, verstehen Sie? Ich werde Ihnen später alles erklären, aber jetzt müssen Sie mich…«
»Ich habe nichts.«
Mein Protest nutzte nichts, denn ihre Hände glitten bereits über meine Brust. Sie hätte mir alle Waffen abnehmen können, die jedoch interessierten sie nicht. Sie wollte etwas anderes haben. Und zwar das Palmblatt, das für uns so ungemein wichtig war.
Flink glitten ihre Finger in die breite Innentasche. Dort steckte es tatsächlich, und es klemmte zwischen den Platten aus Acrylglas. Das war nicht so schwer wie normales.
Da sich der Stoff an den Ecken verhakte, mußte sie schon etwas zerren, hatte es schließlich geschafft, was sie mit einem tiefen Aufstöhnen kundtat.
Ich hing auf der weichen Couch, ohne mich rühren zu können. Wenn ich zu lange auf eine bestimmte Stelle schaute, fingen meine Augen an zu brennen, als hätte mir jemand Pfeffer hineingestreut.
Helen kniete noch. Sie schaute gegen die Platte, aber sie tat es mit einem Blick, der kein Verständnis zeigte. Wahrscheinlich konnte sie mit der Beute nichts anfangen.
»Wer?« fragte ich leise und ächzend. »Wer hat dich beauftragt, Mädchen? War es sie?«
»Ja, ihr Geist.«
»Sira also.« Ich schüttelte den Kopf. »Es ist nicht gut, es ist nicht gut, wenn du dich mit ihr einläßt.«
»Ich mußte es tun. Sie hätte mich sonst getötet. Mit der Waffe, durch die auch Human Lohare gestorben ist.«
Mir fiel das Sprechen auch jetzt schwer. Die Zunge lag träge im Mund. »Du… du hast sie gekannt?«
»Seit kurzem. Sie erschien mir in meinem Wagen. Sie wollte, daß ich dich reinlege. Wenn nicht, wäre ich getötet worden, verstehst du? Dann sprach sie von dieser alten Schrift. Ich mußte sie ihr mitbringen, sie ist wichtig für sie.« Helen hielt das unter Glas klemmende Palmblatt fest und betrachtete es. »Was ist so wichtig?« fragte sie. »Wenn du noch reden kannst, sage es mir.«
»Es geht um das Leben eines Menschen!« flüsterte ich. »Wenn Sira es in die Finger bekommt, weiß ich nicht, wie ich diesen Menschen vor Unheil bewahren soll. Auf dem Blatt ist das Schicksal zu lesen. Verstehst du? Der Mensch würde eventuell sterben oder in ewiger Umnachtung als Blutsauger weiterleben.«
Die Reporterin holte tief Luft. »Wer ist es, John? Wer ist dieser Mensch? Steht er dir nahe?«
»Er stand mir nahe!« keuchte ich. »Jetzt nicht mehr, denn er gehört zu den Blutsaugern. Es ist eine Frau. Nadine Berger heißt sie. Sie hat das Schicksal verflucht hart getroffen.«
Helen Dexter stand vor mir und überlegte. Trotz meines miesen Zustands stellte ich fest, daß ihr Gewissen sie plagte. Sie wußte nicht, wie sie sich verhalten sollte. »Trage ich daran die Schuld, wenn dieser Mensch für alle Ewigkeiten als Vampir umherläuft?«
»Indirekt schon.«
»Aber mein Leben ist mir wertvoller.«
»Das verstehe ich sehr gut. Vielleicht können wir es gemeinsam schützen.«
»Vor Sira?« flüsterte sie erstaunt.
»Ja.«
»Sie ist zu mächtig. Es kann sie niemand aufhalten, das habe ich doch erlebt.«
»Es gibt Ausnahmen. Ich kann sie aufhalten. Hätte sie dich sonst angeworben?«
Die Reporterin überlegte. Mir gab dies Hoffnung. Sie stand noch nicht voll auf der anderen Seite.
»Ich weiß«, sagte sie, ihre Haare dabei zurückstreichend, »ich bin da in etwas hineingeraten, das ich nicht überblicken kann.«
»Wie sollte es denn weitergehen?«
»Das hat sie mir nicht gesagt. Aber sie wird, erscheinen, das weiß ich genau.«
»Ja, urplötzlich ist sie da.« Ich holte tief Luft und bat um ein Glas Wasser.
»Das hole ich.« Bevor Helen in der Küche verschwand, legte sie das Palmblatt zur Seite. Ich war happy, daß es ausgerechnet in meiner Reichweite seinen Platz gefunden hatte. Mit der rechten Hand konnte ich es an mich nehmen. Als es wieder in meiner Innentasche steckte, ging es mir wohler.
Mit dem halb gefüllten Glas in der Hand kehrte sie
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