066 - Marionetten des Satans
wohnte hier. Vielleicht wissen Sie, ob irgend jemand …“
„Ob irgend jemand? Was, Julie?“
„Ob irgend jemand ihr etwas antun wollte. Wurde sie bedroht? Hatte sie Feinde?“ Ihre Zunge wurde schwer. Es kostete sie Mühe, deutlich zu sprechen.
„Eine merkwürdige Frage. Warum stellen Sie sie mir?“
Julie wußte keine Antwort.
„Ich verstehe“, sagte Davilla ruhig. „Sie haben also irgendwelchen Klatsch gehört.“ Er setzte sich auf den Boden neben Julie und legte sanft seine Hand auf die ihre. Die Berührung ging ihr wie ein Pfeil durch den ganzen Körper.
„Ich nahm Katherine unter Vertrag, und als sie das Haus sah, war sie davon genauso entzückt wie Sie. Sie wollte es unbedingt mieten. Was dann passierte, war ein schreckliches Unglück. Ich weiß nicht, wie es geschah. Katherine lebte immer sehr zurückgezogen. Sie war eine hervorragende Schauspielerin, aber sie hielt nicht viel von Publicity. Als das Stück abgesetzt wurde, sah ich sie kaum. Ich fand sie zwei Tage nach ihrem Unfall.“
„Wie schrecklich!“
„Sie war allein gewesen, soweit die Polizei feststellen konnte.“ Er seufzte. „Ich weiß nicht, warum sie herabgestürzt ist. Vielleicht war sie krank. Oder vielleicht hatte sie zuviel getrunken … Wir werden es nie erfahren. Aber die Treppe war in Ordnung, so wie jetzt“, fügte er eindringlich hinzu. „Und ihr Tod war ein Unfall. Schade. Sie war eine sehr hübsche Frau.“
Es war plötzlich sehr heiß im Zimmer. Der gründliche Brandy im Glas, die flackernden Schatten, der Blumenduft versetzten Julie in schläfrige Trance. Seltsame Töne drangen plötzlich an ihr Ohr.
„Sie sind sehr aufgeregt, Julie. Aber solche Tragödien passieren nahezu täglich. Ich verstehe nicht, was Sie so verstört.“
„Nun …“, stammelte Julie. „Vielleicht, weil sie eine Schauspielerin war wie ich. Vielleicht identifiziere ich mich mit ihr …“
„Das ist töricht, Julie. Es geschah vor langer Zeit, und es hat nichts mit Ihnen zu tun, Julie. Denken Sie nicht mehr daran.“ Zart streichelte er ihre Hand. „Aber ich bin froh, daß ich Ihnen von Katherine erzählt habe. Sonst hätten Sie die wilden Gerüchte noch mehr beunruhigt. Sie werden heute nicht mehr daran denken, bitte.“
Julie war wie gelähmt.
„Ich möchte Sie nach Hause bringen“, sagte die schmeichelnde Stimme.
Er hat mir etwas verschwiegen, dachte sie benommen, als sie die kühle Nachtluft auf den Wangen spürte. Irgend etwas fehlt – etwas Wichtiges und Wesentliches.
Sie sagte gute Nacht, schleppte sich die Treppe hinauf, streifte die Kleider ab und ließ sich auf das Bett fallen.
Der zweite Alptraum begann …
Wieder das schwarze, böse Dunkel. Wieder war sie an das riesige Holzkreuz gefesselt. Wieder die feierliche Prozession vom Theaterausgang in den Garten, wieder die namenlosen, gesichtslosen Wesen in den schwarzen Gewändern. Aber das Gemurmel schwoll diesmal lauter an, klang bedrohlicher. Keine Worte, nur verschwommene Laute drangen in die Nacht.
Noch mehr Fackeln brannten diesmal. Lederbänder schnitten in ihre Gelenke. Plötzlich eine Lichtexplosion – hundert brennende Fackeln. Deutlich sah sie den schwarzverkleideten Altar, den Kandelaber mit den sechs schwarzen unheimlichen Kerzen. Und ein Silbermesser lag auf dem langen Tisch, glänzte im Mondschein.
Die schwarzen Gestalten bewegten sich in makabrem Tanz durch das Dunkel, und dann stand er vor ihr, schwarz vermummt. Sie sah das Grinsen hinter der schwarzen Kapuze, als er ihr das Spitzenkleid vom Körper riß.
Er war größer als die anderen, ganz in Schwarz gehüllt bis auf die Füße, die nackt und weiß im Mondlicht schimmerten. Ein Fuß war normal. Sie sah die Zehen, den zarten Knöchel … Und der andere Fuß …
Ein leiser Schrei löste sich von ihren Lippen.
Kein Fuß, keine Zehen. Ein gespaltener Huf, der sich hob und auf das Spitzenkleid trat, das auf dem Boden lag. Lachend stampfte er auf den weißen Spitzen. Und Gelächter schwoll in der Menge an.
Dann bewegte sich der Kreis der schwarzen Schemen auf sie zu. Und sein Gesicht näherte sich dem ihren, sie fühlte seinen heißen Atem. Immer näher, bis sich seine feuchten Lippen auf ihren Mund preßten. Ein Biß – und sie spürte den salzigen Geschmack ihres eigenen Blutes.
Seine Zunge fuhr über die Wunde, dann über ihr Kinn und ihren Hals. Und die schwarzen Schatten kamen immer näher, kalte Finger berührten ihre Zehen, krochen höher, griffen fester zu …
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